Die Trendwende hin zur Elektromobilität ist bei den sächsischen Zulieferern noch nicht angekommen, wie eine Studie des Automobilzuliefernetzwerks AMZ, des Chemnitz Automotive Institute CATI und der Sächsischen Energieagentur SAENA im Auftrag des sächsischen Wirtschaftsministeriums zeigt. AMZ will mit einer Roadshow die Unternehmen für den Wandel in der Branche sensibilisieren. Erste Station war Anfang Mai 2019 die UKM Fahrzeugteile GmbH in Reinsberg bei Freiberg.
In den Hallen bei UKM dominieren mit Turboladerwellen und Nockenwellen Teile für den konventionellen Pkw-Antriebsstrang. Doch das Unternehmen hat bereits vor drei Jahren begonnen, seine Strategie neu auszurichten und seitdem die Abhängigkeit vom klassischen Verbrennungsmotor von 80 auf unter 50 Prozent reduziert. „Wir wollen stärker die Segmente Nutzfahrzeuge und Zweirad bedienen, letzteres u. a. mit Anbau- und Verkleidungsbauteilen. Zum anderen erschließen wir weitere Branchen wie Aircraft, allgemeine Industrie sowie Sport- und Freizeitindustrie“, beschreibt Geschäftsführer Thorsten Vogt den eingeschlagenen Diversifizierungskurs. Hier spielen u. a. Leichtbau-Themen eine Rolle. Die notwendige Expertise, beispielsweise für Aluminium-Komponenten, hat UKM mit dem Zukauf der Umformtechnik Radebeul GmbH ausgebaut. Auch für neue Mobilitätslösungen ist das Unternehmen gerüstet, das mit den drei deutschen und einem französischen Standort rund 650 Mitarbeiter zählt. „Hybridantriebe stellen hohe Anforderungen an die Maßhaltigkeit und Oberflächengüte der Bauteile. Auf diesem Feld sind wir zu Hause. Das technologische Know-how bringen wir aus unseren angestammten Produktionsprozessen mit“, so der Geschäftsführer.
Veränderungen bei rund 300 Auto-Komponenten
UKM gehört mit seiner Ausrichtung auf den Antriebsstrang zu den 40 Prozent sächsischer Zulieferer, die am gravierendsten vom Wandel hin zur E-Mobilität betroffen sind. Doch auch in den weiteren Segmenten wie Fahrwerk, Interieur, Karosserie und Elektrik/Elektronik wird es Veränderungen geben. „Wir haben rund 300 Komponenten identifiziert, die im E-Fahrzeug entfallen, modifiziert werden oder neu hinzukommen. Neben dem batterieelektrischen Antrieb haben wir auch die Hybrid- und Brennstoffzellen-Technologie einbezogen“, erläutert AMZ-Netzwerkmanager Andreas Wächtler.
Massive Verwerfungen in der Branche und der Region
In der Studie wurden 200 Unternehmen analysiert, die mit insgesamt 50.000 Beschäftigten rund 65 Prozent der sächsischen Automobilzulieferindustrie repräsentieren und ebenso die automobile Wertschöpfungsverteilung in den Bereichen Antrieb, Elektrik/Elektronik, Fahrwerk, Interieur und Karosserie abbilden. „Unter dem Strich wird die Zahl der Beschäftigten in der sächsischen Zulieferindustrie bis 2025 um etwa zwei Prozent sinken. Diese gute Nachricht darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Strukturwandel mit massiven brancheninternen Umwälzungen verbunden sein wird: Der Antriebsbereich verliert 20 Prozent seiner Beschäftigung, der Elektronik-Bereich wächst um 17 Prozent. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Da die antriebsrelevanten Unternehmen, die Beschäftigungsreduzierungen zu erwarten haben, in hohem Maße im Raum Zwickau/Chemnitz/Erzgebirge angesiedelt sind und die vor weiteren Beschäftigungszuwächsen stehenden Elektronik-Unternehmen vor allem im Raum Dresden, werden zusätzlich auch regionale Umgewichtungen erzeugt“, erläutert das CATI-Direktoriumsmitglied Prof. Dr. Werner Olle.
Noch viele Zweifler am Hochlauf des E-Antriebs
Gespeist werden diese Prognosen auch aus rund 60 Expertengesprächen mit Verantwortlichen in Zulieferunternehmen. „Dabei mussten wir feststellen, dass die Zulieferer den Umfang und das Tempo des bevorstehenden Transformationsprozesses unterschätzen. 75 Prozent zweifeln am Hochlauf des E-Antriebs“, benennt AMZ-Netzwerkmanager Dirk Vogel eine wesentliche Erkenntnis aus den Gesprächen. Zu den möglichen Ursachen gehört eine Scheinsicherheit, in der sich Unternehmen durch mehrjährige Rahmenverträge wiegen. Doch bindend sind nur die realen Abrufe durch den Kunden, und diese gingen in den letzten Monaten deutlich zurück bzw. gestalten sich sehr schwankend, wie Zulieferer zum Teil überrascht erleben mussten. Stutzig machen sollte auch, wenn keine Anfragen zu Komponenten für E-Fahrzeuge eingehen. Es wäre fatal, dass als Zeichen für einen nicht stattfindenden E-Hochlauf zu werten, warnt Vogel.
Systematisch nach vorn planen
AMZ empfiehlt den Firmen, sich systematisch zu Werksbelegungsplänen und aktuellen Fahrzeugbauzahlen zu informieren, um daraus rechtzeitig Maßnahmen für die eigene Produktion abzuleiten. Konzepte zur Kostenreduzierung, für EOP-Szenarien und zur Personalsicherung sollten vorhanden sein, ebenso wie Strategien für die Entwicklung neuer Geschäftsfelder, für die Ergänzung eigener Kompetenzen sowie für das Erschließen von Finanzquellen. Auch wenn bei einigen Komponenten speziell im Verbrennungsmotorbereich jetzt nochmals gegenläufige Tendenzen auftreten, sollte man nicht die Augen davor verschließen, dass dies ein endlicher Wachstumsschub sei. Autohersteller lagern damit konventionelle Komponentenfertigungen aus und sparen sich Nachinvestitionen für Produkte mit begrenzter Lebensdauer.
Offen für weitere Antriebstechnologien
Für das Nutzen der Chancen, die aus dem Mobilitätswandel entstehen, plädierte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig. Zugleich warb er für Offenheit mit Blick auf die verschiedenen Antriebstechnologien. Es wäre nicht verantwortlich, allein auf die Elektromobilität zu setzen. Gerade in Sachsen gibt es viel Kompetenz zu Wasserstoff-Brennstoffzellen und synthetischen Kraftstoffen. Diese Forschungen gelte es weiter voranzubringen.
Weitere Termine der AMZ-Roadshow:
- 05. Juni 2019: Pierburg Pump Technology GmbH Hartha
- 19. Juni 2019: DGH Heidenau GmbH & Co. KG
- 26. Juni 2019: GKN Driveline Deutschland GmbH, Zwickau-Mosel
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Interessenten für eine Veranstaltung melden sich bitte an unter: wagner@amz-sachsen.de