Die vom Volkswagen-Konzern angekündigten Produktionsverlagerungen weg von Zwickau an Standorte in Niedersachsen sind ein Rückschlag für die sächsische Wirtschaft. Die Entscheidung sorgt für Kritik und Unmut, weil sie einen VW-Standort betrifft, der in der Vergangenheit besonders erfolgreich gewirtschaftet hat. Wie geht es jetzt weiter?
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Wirtschaftsminister Dirk Panter trafen sich mit Automobilzulieferern, um Einschätzungen aus erster Hand zu erfahren. Der Austausch fand beim Zulieferer Meleghy Automotive in Reinsdorf (Landkreis Zwickau) statt. An der vom Wirtschaftsministerium (SMWA) organisierten Dialogrunde nahmen insgesamt rund 30 Vertreter der Branche teil. Zum Teilnehmerkreis gehörten Zuliefererunternehmen sowie der Sächsische Strukturwandelmanager, das Zulieferernetzwerk AMZ, die Wirtschaftsförderung Sachsen und die Agentur für Arbeit Zwickau.
Bleibt es bei den Plänen des VW-Konzerns, verliert Zwickau einen erheblichen Teil seiner Auslastung. Das wirkt sich unmittelbar auch auf die Zuliefererindustrie der traditionell tief im Automobilsektor verankerten Region Südwestsachsen aus.
Finanzmittel vom Bund sowie faire Vergabe neuer Modelle von VW gefordert
AMZ-Netzwerkmanager Dirk Vogel sagte stellvertretend für die sächsischen Zulieferer, dass nach der Transformation hin zur E-Mobilität bei vielen die Kassen leer sind. Eine weitere Transformation auch in andere Branchen hinein benötige Finanzmittel. Dafür soll sich der Freistaat Sachsen auch beim Bund stark machen, forderte er. Das Treffen in Reinsdorf sei wichtig, um gemeinsam für den Erhalt der Fahrzeugproduktion von Volkswagen am Standort Zwickau zu kämpfen. So gehe es um faire Chancen für die Vergabe neuer Fahrzeugmodelle nach Zwickau, z. B. den ID2.
Klare Erwartungen an den VW-Konzern zum Standort Zwickau
„Die Zulieferer erwarten, dass der Volkswagen-Konzern in seiner wirtschaftlichen Neustrukturierung auch die Wirtschaftlichkeit als Basis für seine Entscheidungen zu den Produktionsstandorten in Deutschland nimmt und nicht der politische Wille entscheidet“, so Vogel. Er betont weiter: „Das VW-Werk Zwickau-Mosel ist mit seiner regionalen Zulieferstruktur aktuell eines der effizientesten Werke im VW-Konzern. Aufgrund der kurzen Logistikwege mit geringem CO2-Ausstoß in der Lieferkette ist der Standort auch noch besonders nachhaltig. VW hat sich dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet. Die Zulieferer und wir als Netzwerk erwarten, dass diese Verpflichtung auch umgesetzt wird.“
Sächsische Staatsregierung: Dialog fortsetzen – Perspektiven erarbeiten
Ministerpräsident und Wirtschaftsminister verwiesen auf die Bemühungen der Staatsregierung, in Berlin und Brüssel für Unterstützungsmaßnahmen der deutschen Autobranche zu werben. Von einer Fristverlängerung für die CO2-Flottengrenzwerte und Technologieoffenheit würden auch die Zulieferer profitieren. Für die besondere Situation rund um das VW-Werk Zwickau bedürfe es individueller Lösungen. Im angestoßenen Dialogprozess sollen alle Beteiligten gemeinsam mögliche Perspektiven erarbeiten. Die Erwartungen richten sich dabei nach wie vor auch an den VW-Konzern und an ein klares Bekenntnis zu den sächsischen Standorten.
Das Autoland Sachsen
Das Autoland Sachsen gehört mit sechs Fahrzeug-, Motoren- und Batteriewerken von Volkswagen, BMW, Mercedes-Benz und Porsche zu den Top 5 der deutschen Automobilstandorte. Jedes achte Automobil und 40 Prozent aller vollelektrischen Pkw aus deutscher Produktion sind „Made in Saxony“. Im Jahr 2023 beschäftigte die Automobilindustrie in Sachsen 95.000 Menschen, davon 80 Prozent in den 815 Unternehmen des Zuliefererbereichs. Die Branche weist einen Anteil von 28,6 Prozent am sächsischen Industrieumsatz und 39,7 Prozent am Auslandsumsatz der sächsischen Industrie auf.