Wasserstoff gilt als ein Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende. Zudem eröffnen sich mit Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologien neue nachhaltige Geschäftsfelder für Zulieferer im Mobilitätsbereich sowie für Maschinen- und Anlagenbauer. Die Wertschöpfungspotenziale der Wasserstoffwirtschaft vor allem für KMU einfach zugänglich zu machen, ist Hauptanliegen des nationalen Transformations-Hubs cH2ance. Wie das gelingen soll und welche Beispiele es bereits gibt, war Inhalt des 1. Kongresses der Wasserstoffantriebe in Chemnitz.
Die Einstiegsfrage überraschte sicher einige der rund 160 Fachbesucher. Ob er denn vor der Veranstaltung eine Risikolebensversicherung abgeschlossen habe, wollte Dr. Gert Schlegel vom HZwo e. V. von seinem Moderationskollegen Andreas Wächtler vom Automobilzuliefernetzwerk AMZ wissen. Das war zum einen ein Hinweis auf die Ausstellung mit zahlreichen betriebsbereiten Wasserstoff-Fahrzeugen vom Pkw bis zum Müllsammler. Zum anderen sprach der Moderator damit eines von mehreren Vorurteilen gegenüber Wasserstoff an.
Unhaltbare Wasserstoff-Mythen
Prof. Dr. Thomas von Unwerth räumte mit diesem Mythos sowie weiteren Vorbehalten auf. Der Direktor des Instituts für Automobilforschung an der TU Chemnitz ist zugleich Vorstandsvorsitzender des HZwo e. V. Der Innovationscluster koordiniert den vom Bund geförderten Hub. Wasserstoff im Tank sei nicht gefährlicher als Benzin oder Diesel. Er lasse sich im Gegensatz zu landläufigen Meinungen dauerhaft speichern. Auch das viel gebrauchte Argument vom unzureichenden Wasserstoffangebot für Fahrzeugantriebe lasse sich mit Hochlauf der weltweiten Erzeugung nicht halten. Zudem widerlegte Prof. von Unwerth die These, dass sich Wasserstoffantriebe nicht weiterentwickeln und kein Optimierungspotenzial besäßen. Das Gegenteil sei der Fall. Aus den Anfängen vor reichlich 50 Jahren haben sich mittlerweile Serienfahrzeuge entwickelt. Das sei wie beim fossilen Verbrennungsmotor. Den gibt es seit mittlerweile 150 Jahren, und dieser erfährt nach wie vor Optimierungen. Und wie bei verbrennungsmotorischen Fahrzeugen werden sich mit Hochlauf der Produktion die Kosten für Wasserstoffautos verringern.
Wasserstoffantriebe zum Erfahren
Vertreter von Opel/Stellantis, Toyota und Enginius lieferten denn auch Belege für das Funktionieren von Wasserstoff-Mobilität. Sie hatten einige Fahrzeuge mit nach Chemnitz gebracht – sowohl zum Anfassen in der Ausstellung als auch zum Ausprobieren auf der Straße. Beide Angebote standen nicht nur den Fachbesuchern zur Verfügung. Ebenso konnten interessierte Bürger die Offerten annehmen und das Fahren mit Wasserstoffantrieb testen. Die Fahrerlebnisse bewerteten die Nutzer meist sehr positiv. Was Unternehmen noch abschreckt, z. B. leichte Wasserstoff-Nutzfahrzeuge in ihre Flotten aufzunehmen, ist der Preis, der momentan noch deutlich über den Diesel-Fahrzeugen liegt. Andererseits gewinnen Nachhaltigkeitsaspekte weiter an Gewicht. Mit dem wasserstoffbetriebenen Abfallsammler von Enginius sind Stadtreinigungen klimaneutral unterwegs, statt im innerstädtischen Stopp-and-Go-Verkehr 80 bis 100 Liter Diesel auf 100 Kilometer zu verbrauchen.
Politische und regulatorische Rahmenbedingungen, Infrastrukturschaffung sowie Fördermöglichkeiten standen im Zentrum des zweiten Kongressblockes. Joachim Jungsbluth vom ZBT Zentrum für Brennstoffzellen-Technik Duisburg, das den Transformations-Hubs fachlich leitet, zeigte auf, dass in Sachen Regulatorik noch viel zu tun ist. Wichtig sei, Technologie zu ermöglichen, um Märkte zu schaffen.
Dazu gehört der weitere Ausbau des Tankstellennetzes. David Aumüller von H2 Mobility berichtete von verstärkten Nachfragen aus dem Lieferverkehr- und Bus-Bereich. Die anwesenden Besucher interessierte besonders, wann Chemnitz endlich eine Wasserstoff-Tankstelle bekomme. Die Planungen dafür liegen vor. Man warte jetzt auf die Förderzusage. Wenn alles funktioniere, könne etwa Mitte 2025 die Tankstelle betriebsbereit sein.
Unterstützungen für Zulieferer
Das Thema Förderung vertiefte Frederik Wewetzer von der NOW GmbH. Er stellte Fördermöglichkeiten speziell für Zulieferer vor, die im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms II (NIP II) zur Verfügung stehen. Diese gibt es sowohl für FuE-Vorhaben als auch für Marktaktivierungen.
Unterstützungen für Zulieferer anderer Art präsentierten Marcus Lenk vom ICM sowie René Schmiedel von der TU Chemnitz. OSCar von ICM ist ein Forschungsfahrzeug. Es bietet insbesondere KMU Möglichkeiten, gemeinsam Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellensystem-Komponenten zu entwickeln und unter realen Bedingungen zu testen. Ähnlich verhält es sich mit OSS, dem Open Source Stack der TU Chemnitz. Damit lassen sich Stack-Komponenten, Produktionstechnologien sowie periphere Systeme entwickeln und testen. Ebenso dient der Open Source Stack zum Kompetenzaufbau.
Konkrete Wasserstoff-Projekte vorgestellt
Konkrete Wasserstoff-Projekte bestimmten den dritten Kongressblock. Dr. Stefan Fenchel berichtete, wie bei BMW Leipzig Wasserstoff in der Intralogistik, in der Lackiererei sowie im Lkw-Verkehr zwischen verschiedenen deutschen Standorten zur Entwicklung eines grünen Werkes beiträgt. Ringo Uhlendorf von Rheinmetall Automotive zeigte auf, wie sich das Unternehmen auf Basis seiner Erfahrungen bei klassischen Antriebskomponenten neues Geschäft u. a. mit Entwicklungen im Bereich Wasserstoff erschließt. In diesem und im nächsten Jahr erfolge die Industrialisierung einiger Brennstoffzellen-Komponenten. Daran arbeitet auch das Team des sächsischen Werkes in Hartha mit.
Ein neues Verfahren für die Erstbefüllung von Wasserstoff-Tanks mit Einsatz von Vakuum stellte Marius Koch von Edag Engineering vor. Mit der Technologie lässt sich die Zeitdauer von ca. sechs Stunden auf etwa 240 Sekunden reduzieren. Außerdem könne die heute übliche Druckwechselspülung mit Stickstoff entfallen. Dr. Simon Kimme von Laservorm Altmittweida präsentierte eine innovative Technologie für das schnelle Laserschweißen 50 Mikrometer dicker metallischer Bipolarplatten. Üblich ist heute die Verwendung rund 100 Mikrometer dicker Platten. Neben einer Gewichtsreduzierung wird auch eine höhere Schweißgeschwindigkeit möglich. Das trägt zur angestrebten wirtschaftlichen Serienfertigung bei.
Über eine neue Technologie zur Herstellung von Brennstoffzellen informierte Dr. Carsten Pohlmann von Bramble Energy. Das englische Unternehmen nutzt Verfahren der Leiterplattenfertigung für die Produktion von PEM-Zellen. Die Fertigung könne überall dort erfolgen, wo es bereits Leiterplattenproduktion gibt. Vor diesem Hintergrund ist Bramble auch an Partnerschaften in Sachsen interessiert und Mitglied im HZwo-Netzwerk geworden.
Hilfe für die Fachkräfte von morgen gefragt
Neben den straßentauglichen Fahrzeugen gab es in der Ausstellung auch einige schnelle Flitzer im Modellformat auf einer Rennbahn zu bestaunen. Die Autos haben Schüler der Evangelischen Schulgemeinschaft Erzgebirge (EGE) gebaut. Die EGE-Hydrofoxes sind nicht nur die Deutschen Meister 2022 und 2023. Sie überzeugten im Vorjahr auch bei den Weltmeisterschaften in den Niederlanden und gewannen in der Kategorie „Innovativstes Wasserstoff-Modellauto“. Für die diesjährige WM sind sie als aktueller Deutscher Meister ebenfalls qualifiziert. Jedoch findet die WM in Las Vegas statt. Um dort dabei zu sein, benötigt das Team ein Finanzbudget von ca. 20.000 Euro. Deshalb freuen sich die Mädchen und Jungen über Personen bzw. Unternehmen, die hierzu einen Beitrag leisten. Kontakt über: info@ege-annaberg.de