25 venezolanische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstärken seit kurzem das insgesamt 650 Beschäftigte zählende Team der FEP Fahrzeugelektrik Pirna. Ein AWO-Ehrenamtsjob und konsequente Eigeninitiative führten dazu, dass der Automobilzulieferer ein akutes Arbeitskräfteproblem lösen konnte. Mit dem Projekt sammelten die FEP-Akteure nicht nur viele Erfahrungen für eventuelle weitere Vorhaben dieser Art. Sie gewannen daraus auch Anregungen, wie Integration in Deutschland generell besser zu organisieren ist. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer interessierte sich bei einem Unternehmensbesuch sehr dafür.
Die FEP gehört mit ihrem Produktspektrum an Steckverbindern, Energieverteilungssystemen, Öldruckschaltern sowie Batteriekomponenten zu den gefragten Partnern der internationalen Automobilindustrie. Das Unternehmen mit Sitz in Pirna, einem Werk im nahen Königstein sowie weiteren Werken in China und Mexiko hat dank seiner Innovationsstärke jüngst u. a. Projekte im Bereich E-Mobilität gewonnen. Weil beim Hochlauf neuer Produkte anfangs jedoch noch viel Handarbeit notwendig ist, brauchte man auf einen Schlag 20 bis 30 neue Mitarbeiter. Es gab jedoch große Probleme, diese Arbeitskräfte zu gewinnen, berichten Geschäftsführer Guido Glinski und Evelyn Duarte Martinez.
Vom AWO-Ehrenamt zum Integrationsprojekt
Evelyn Duarte war bis vor einem Jahr ebenfalls Geschäftsführerin bei FEP. Nach fast 40 Jahren im Betrieb unterstützt sie das Unternehmen jetzt weiter als Senior Consultant. Ihr Ehemann, Gerardo Duarte Martinez, hat die Gewinnung der venezolanischen Mitarbeiter angeschoben. Der gebürtige Kubaner, der seit 1978 in Deutschland lebt, arbeitet seit seinem Ruhestand ehrenamtlich bei der AWO in der Region. Dabei kam er in Kontakt mit den Menschen aus Südamerika. Er war deren Dolmetscher und merkte, dass sie eigentlich ziemlich isoliert in Dörfern rings um Dresden lebten. Das war nicht deren Ziel. Sie wollten sich integrieren, arbeiten, ein neues Leben in Deutschland finden, wie Welma Cordero betont. Die junge Frau war in ihrer Heimat Rechtsanwältin. Wie so viele ihrer Landsleute floh sie vor den mafiösen Verhältnissen in Venezuela.
Eingliederung „in Wellen“ und Berufsvorbereitungsjahr
Heute ist Welma Cordero Vorarbeiterin bei FEP und fungiert als Bindeglied zwischen der Abteilungsleitung und den weiteren venezolanischen Mitarbeitern. FEP hat gemeinsam mit Gerardo Duarte Deutschkurse organisiert, Arbeitsanweisungen ins Spanische übersetzt und viele weitere Unterstützung geleistet. Seit Mai 2022 ist die Zahl der Mitarbeiter aus Südamerika schrittweise von einem auf aktuell 25 angestiegen. Von ihnen haben sich bereits zehn zum Maschinen- und Anlagenführer qualifiziert. Dazu kommt noch ein Lehrling, der ebenfalls eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer absolviert. Die Eingliederung „in Wellen“ und das „Mitnehmen der Belegschaft“ bei diesem Prozess bezeichnet Evelyn Duarte als wesentlich für eine erfolgreiche Integration. Wünschenswert in diesem Sinne sei ebenso ein Berufsvorbereitungsjahr, in dem die ausländischen Arbeitskräfte sowohl in Unternehmen beschäftigt sind als auch Deutsch lernen. Die aktuellen Sprachkurse finden isoliert statt und fördern nicht das Sprechen im Alltag bzw. Beruf.
Hürden beim Umzug
Die so geschaffene Akzeptanz im Inneren ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen jedoch noch ganz andere Herausforderungen. FEP-Personalleiter Daniel Rabe verweist auf eine gute Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde, wenn es um die Erteilung von Arbeitserlaubnissen geht. Das funktioniere gut, weil die Identitäten der Personen feststehen. Das hilft beim Erteilen von Aufenthaltstiteln enorm. Schwieriger wird es dann im Arbeitsalltag. Bei FEP wird in rollender Woche gearbeitet, also in Schichten. Für die venezolanischen Mitarbeiter, die auf Dörfern weg von funktionierendem ÖPNV wohnen, ist das eine Hürde. Sie müssten umziehen, näher an den Betrieb heran. Die aktuellen Wohnsitzregelungen stehen dem jedoch entgegen. Hier brauche es flexible individuelle Vorgehensweisen, fordern die FEP-Manager.
Schwierig in einem Deutschland, in dem „alles wegadministriert“ werde, wie Ministerpräsident Michael Kretschmer betonte. Nichtsdestotrotz seien Initiativen wie die von FEP enorm wichtig, um insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen zu zeigen, dass eigenes Engagement lohnt. Man müsse den ersten Schritt tun, um sich selbst positiv zu überraschen.
Unterstützungsangebote dringen nicht bis in Betriebe durch
Der Automobilzulieferer hat sein Vorgehen u. a. auf dem sächsischen Fachkräftegipfel im Frühjahr
vorgestellt und bereits Nachahmer gefunden. Doch die Pirnaer konnten dabei auch selbst viel Neues erfahren. Beispielsweise betrifft das Unterstützungsangebote wie Arbeitsmarktmentoren und weitere Hilfen, die es bei verschiedenen Ämtern gibt. Solche Offerten dringen nicht zu den Unternehmen durch, bemängelten die FEP-Manager.
Asylsuchende gleich als arbeitssuchend registrieren
Sie unterbreiteten auch einen Vorschlag, wie dies geändert werden könne. Die Arbeitsagenturen als die Einrichtungen, mit denen jeder Betrieb zu tun hat, müssten hier die wesentliche Schnittstelle sein. Asylsuchende sollten nicht erst über längere Zeit in lagerähnlichen Verhältnissen isoliert, sondern gleich als arbeitssuchend registriert werden. Bisher hätten viele Flüchtlinge nicht diesen Status und stünden so dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Kretschmer und die FEP-Manager thematisierten vor diesem Hintergrund auch, dass auf solchen Wegen mehr der rund 100.000 ukrainischen Flüchtlinge in Sachsen in Arbeit kommen können. Bisher ist es nur etwa jeder Fünfte. Der Ministerpräsident hat bei FEP viele Anregungen erhalten, die in nächsten Gesprächen mit dem Bundesarbeitsminister auf den Tisch kommen sollen.