Wie gewinnt die Automobilindustrie wieder an Fahrt? Auf welchen Wegen kommt sie aus der Krise? Und wie geht es weiter mit den VW-Werken in Sachsen? Diese Fragen dominierten die Diskussionen auf dem 28. Automotive Forum Zwickau. Rund 300 Teilnehmer waren am 5. und 6. November 2024 auf dem etablierten Forum zu Gast. Hauptveranstalter AMZ und Kooperationspartner IHK Chemnitz hatten ein Motto gewählt, das bereits eine Antwort auf die Eingangsfragen enthielt. „Die Zukunft ist mobil! Branche gemeinsam gestalten!“ – darauf komme es jetzt an. Gefragt ist die sachorientierte und faire Zusammenarbeit zwischen allen Partnern in der Wertschöpfungskette sowie darüber hinaus in den Behörden, Verwaltungen, politischen Ämtern und Kommunen.
Mit Spannung erwarteten die Teilnehmer den Vortrag von Danny Auerswald, Geschäftsführer von VW Sachsen. Das Motorenwerk Chemnitz solle eine saubere und rechtzeitige Transformation in die E-Mobilität erfahren, so Auerswald. Für die Gläserne Manufaktur Dresden liege der Fokus auf Marketing, Auslieferung und Showfertigung. Das Werk Zwickau stehe im Wettbewerb mit anderen europäischen Standorten. Das Kostenlevel sei entscheidend, deutete er eine wesentliche Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit an. Digitalisierung biete hier noch viel Potenzial, auch gemeinsam mit Zulieferern. Lokale Lösungen ließen sich bei Erfolg konzernweit ausrollen. Eine klare Aussage zur Zukunft der sächsischen Standorte tätigte Auerswald mit Verweis auf die aktuellen Tarifverhandlungen nicht.
Über Werksschließungen nach Kennzahlen und nicht nach Postleitzahlen entscheiden
Diese Klarheit forderte Max Jankowsky, Präsident der IHK Chemnitz, jedoch umgehend von der VW-Konzernzentrale. Sie müsse ihre Standortentscheidungen schnell treffen und klar kommunizieren. Weder den VW-Mitarbeitern und ihren Familien noch den tausenden Beschäftigten bei den Zulieferern könne man noch Wochen der Ungewissheit zumuten. Zudem forderte er, dass man über Werksschließungen nach Kennzahlen und nicht nach Postleitzahlen entscheide. Das Vakuum, das auch Berlin und Brüssel verursachen, muss aufgelöst werden. „Was wir brauchen, ist ein Automotive-Fahrplan für Europa mit realistischen planungssicheren Zielen“, so Jankowsky.
Autoland Sachsen braucht mehr Hochtechnologie-Industrie und Headquarter
Diese Sicherheit sei Voraussetzung, dass die Branche wieder ins Investieren komme, betonte Dirk Vogel, Manager des Netzwerkes AMZ. „Wir haben im Autoland Sachsen einen großen Anteil an Unternehmen mit dem Status einer klassischen verlängerten Werkbank. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir jedoch deutlich mehr Engagement in Richtung Hochtechnologie-Industrie, beispielsweise mit innovativen Lösungen für Produktionsautomatisierung oder dem Aufbau zukunftsträchtiger Produkt- und Geschäftsfelder. Um die dafür notwendigen Investitionen zu stemmen, benötigen die Unternehmen zuverlässige und passende Rahmenbedingungen. Hier sind Politik und Verwaltung als aktive Mitgestalter gefordert. Es geht darum, der Wirtschaft die Arbeit zu erleichtern, ohne soziale und ökologische Aspekte zu vernachlässigen“, so Vogel. Ebenso trage die Fusion einheimischer inhabergeführter Firmen zu schlagkräftigen Großunternehmen mit Sitz in Sachsen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit bei.
Automatisierte Logistik mit Personal- und Kosten-Potenzialen
Beispiele für eine wettbewerbsfähige Produktion sowie neue Produkte mittels Hochtechnologie-Lösungen lieferte das Automotive Forum sowohl im Konferenzprogramm als auch in der begleitenden Ausstellung. Mirko Taubenreuther vom Engineeringunternehmen IAV verwies auf die Personal- und Kosten-Potenziale automatisierter Logistik auf Kurzstrecken angesichts fehlender Berufskraftfahrer. Er könne sich eine solche Pilotlösung für die Region in ein bis zwei Jahren gut vorstellen. Technisch sei sie weitestgehend vorhanden. Auch das Schaffen der notwendigen behördlichen Genehmigungen sieht er positiv.
Möglichkeiten und Anwendungen von Cobots in der Automobilzulieferindustrie stellte Wolfgang Lienke von Jaka Robotics vor. Er gab den Kongressgästen eine Checkliste mit auf den Weg für die optimale Umsetzung von Cobot-Lösungen.
Nachhaltige Automobilbaukonzepte für langlebige moderne Fahrzeuge
Für nachhaltige Automobilbaukonzepte plädierte Prof. Dr. Günther Schuh. Autos sollten bezüglich Wiederverwertbarkeit der Einzelteile konstruiert und gebaut werden, so der Wissenschaftler und Unternehmer. Mit modularen Upgrades etwa in Fünf-Jahres-Schritten lasse sich eine Lebensdauer von bis zu 50 Jahren erreichen. Käufer können ihre Autos deutlich länger nutzen, ohne auf Innovationen im Fahrzeug zu verzichten. Das erhalte individuelle Mobilität als riesigen sozialen Wert für die breite Masse. Der Streetscooter-Gründer unterstrich, dass die Kombination von Photovoltaik und Wasserstoffspeicher zentral sei für eine ökologische Energieversorgung. Für die Mobilität von morgen definierte er eine Zielvorgabe von maximal 60 Prozent für batterieelektrische Fahrzeuge als sinnvoll. Für Langstreckenfahrten oder den Nutzfahrzeugverkehr brauche man andere Treiber.
Weitere Vorträge, u. a. von Mercedes-Benz, CATL, FES, Yanfeng und Rheinmetall, zeigten ebenfalls Nachhaltigkeitspotenzial für neues Geschäft auf. Auch die Standpräsentationen sowie die Fahrzeugausstellung boten hierfür Ansatzpunkt. Zu sehen waren u. a. E-Fahrzeuge von Nio, VW und BMW, außerdem das autonom fahrende Shuttle der IAV und der H2-Brennstoffzellen-Truck der FES.