Er war ein Auto-Mensch im besten Sinne dieses Worts: Prof. Dr. Carl Horst Hahn. Der gebürtige Chemnitzer hat Volkswagen zu einem Weltkonzern gemacht. Und er hat dem Autoland Sachsen zu seiner Renaissance verholfen. Am 14. Januar 2023 ist Carl Hahn im Alter von 96 Jahren verstorben.
Ein Montagvormittag im Juni 2014 in einem Nebenraum des Kunstmuseums Wolfsburg. Carl Hahn ist ein aufmerksamer Gastgeber, bietet Kaffee und Wasser an, spricht eloquent wie immer. Dass der damals 87-Jährige wegen eines verspäteten Rückfluges aus London kaum geschlafen hat, merkt man ihm nicht an. Der Interviewtermin für „Autoland Sachsen“ war vereinbart. Mangelnder Schlaf ist kein Grund, diesen abzusagen. Die kleine Episode sagt viel aus über den Menschen Carl Hahn: ein wacher Geist, stets interessiert am Geschehen über die Autowelt hinaus, höflich, freundlich, zuverlässig, den Menschen zugewandt.
Mit Autos und Motorrädern groß geworden
Der am 1. Juli 1926 in Chemnitz geborene Carl Hahn ist mit Autos und Motorrädern groß geworden. Sein Vater, Carl Hahn senior, war einer der Direktoren von DKW Zschopau und später einer der Vorstände der Auto Union Chemnitz. Hahn junior fuhr bereits mit 14 Jahren Motorrad und mit 18 Jahren Auto. Der berufliche Weg führte jedoch keineswegs geradlinig in die Automobilindustrie. Denn Carl Hahn wollte eigentlich Medizin studieren. Das scheiterte nach dem Krieg am Geld. So kam er über Betriebs- und Volkswirtschaftsstudium doch wieder zum Auto. Nach Tätigkeit bei der OEEC (Organization for European Economic Cooperation) kam er 1954 zu VW nach Wolfsburg. Er leitete die Verkaufsförderung und übernahm ab 1958 die Leitung von Volkswagen of America. Mit originellen Werbekampagnen baute er für den VW Käfer sowie VW Transporter einen soliden USA-Markt auf.
Weichensteller für die Internationalisierung von VW
1964 kam er nach Deutschland zurück und war neun Jahre als VW-Vorstand tätig. 1973 übernahm er den Vorstandsvorsitz der Continental AG. 1982 kehrte Hahn als Vorstandsvorsitzender zu VW zurück. In seiner Amtszeit bis 1993 stellte er entscheidende Weichen für die Entwicklung des Autobauers zu einem Konzern von internationalem Gewicht. Hahn legte den Grundstein für das damals sehr skeptisch gesehene und heute so wichtige China-Geschäft. Er holte Seat und Skoda in den Konzern. Ebenso initiierte er das VW-Motoren-Projekt mit der DDR. Ein Vorhaben, das mit den Weg ebnete für die Gründung der Volkswagen Sachsen GmbH 1990.
Initialzündung für Renaissance des Autolandes Sachsen
Das Projekt war zugleich die Initialzündung für die Wiederbelebung des Autolandes Sachsen. Schon aus seiner Tätigkeit als Ferienarbeiter bei der Auto Union sowie auch durch die Zusammenarbeit im Motoren-Projekt habe er das Wissen und Können der sächsischen Facharbeiter und Ingenieure kennen und schätzen gelernt. Diese Tatsache sowie natürlich auch handfeste ökonomische Gründe hätten zu den im Vorstand nicht unumstrittenen Investments in Zwickau und Chemnitz geführt, sagte Hahn in einem früheren Interview für „Autoland Sachsen“. Die Entwicklungen seitdem belegen die Nachhaltigkeit dieser Entscheidungen für den gesamten Automobilindustrie-Standort Sachsen. Die vom sächsischen VW-Engagement in besonderem Maße profitierenden Städte Zwickau und Chemnitz würdigten Hahns Verdienste hierbei mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft.
Beste Bildung für Kinder und Jugendliche
Auch nach seinem Abschied aus dem Berufsleben blieb Carl Hahn aktiv und widmete sich unter anderem dem Thema Bildung für Kinder und Jugendliche. Für ihn werde die Qualität einer Demokratie durch deren Bildungsniveau bestimmt. So sei das Erlernen von Fremdsprachen so früh wie möglich wichtig, weil es Kindern dann sehr leicht falle. In Sachsen hat Hahn die Saxony International School initiiert. In den Schulen und auch Kindergärten steht die Vermittlung von Weltoffenheit, Werten und Normen, Wissen sowie Fremdsprachenversiertheit obenan. Für ihn sei eine solche Bildung die beste Vorbereitung auf eine globalisierte Welt.
Der Automobilhistorie verbunden
Carl Hahn war immer auch gern dabei, wenn es galt, die Tradition des Autolandes Sachsens aufleben zu lassen. Als Fahrer, zuletzt als Mitfahrer bei Klassikveranstaltungen, als Gesprächspartner zu den verschiedensten Anlässen sowie auch als langjähriges Mitglied im Förderverein des Horch-Museums Zwickau blieb er seiner Heimat Sachsen eng verbunden.