Der Volkswagen-Konzern setzt bei seiner Elektrifizierungsoffensive auf Sachsen: Zwickau wird als erster Standort zum reinen E-Mobilitäts-Werk auf Basis des Modularen Elektroantriebs-Baukastens (MEB) umgestaltet. „Autoland Sachsen“ sprach dazu sowie zur aktuellen Situation mit Prof. Dr. Siegfried Fiebig, Sprecher der Geschäftsführung der Volkswagen Sachsen GmbH.
Wie fällt kurz vor Jahresende die vorläufige Bilanz für 2017 aus?
Abgerechnet wird immer am Schluss, aber ich kann bereits so viel sagen, dass Zwickau und Chemnitz an der Kapazitätsgrenze fahren und wir unserem Auftrag, in Dresden 35 e-Golf pro Tag zu montieren, voll umfänglich nachgekommen sind. Die Produktivität und das Finanzergebnis bewegen sich auf Sollkurs und unsere Gesamtperformance kann sich sehen lassen.
Wie bewerten Sie die MEB-Entscheidung für Zwickau?
Mit der historischen und weit in die Zukunft des Autolandes Sachsen reichenden Entscheidung für die Neuausrichtung des Fahrzeugwerkes Zwickau zu einem reinen E-Fahrzeug-Standort haben wir erstmals in der Unternehmensgeschichte ein echtes Alleinstellungsmerkmal erhalten. Die damit verbundene Milliardeninvestition wird in Zwickau zu einem tiefgreifenden Veränderungsprozess führen und auch auf die Gläserne Manufaktur ausstrahlen. Die Entscheidung ist ein wesentlicher Meilenstein für den Zwickauer Automobilbau. Wir haben eine hervorragende Mannschaft. Ich bin sicher: Sie wird die Chancen nutzen und zeigen, was sie kann. Die damit verbundenen Chancen in der Automobilzulieferindustrie werden perspektivisch zu neuen Geschäftsfeldern und zukunftsweisenden Arbeitsplätzen führen. Wir brauchen in diesem Zusammenhang aber auch die gesamte Region und den Freistaat als Partner.
Welche Veränderungen ergeben sich für die Zulieferstruktur?
Zunächst werden wir 2018 wiederum an der Kapazitätsgrenze Fahrzeuge bauen – in Zwickau wie bisher Golf und Passat und in Dresden den e-Golf. Ab dem zweiten Quartal 2018 sollen dann in Dresden in zwei Schichten bis zu 70 Stück am Tag hergestellt werden. Die zweite Schicht ist nachhaltig entschieden. Ab Ende 2019 werden wir dann die Produktion in Zwickau schrittweise bis 2021 auf MEB-Fahrzeuge umbauen und unsere Belegschaft schulen. In diesem Zeitraum werden immer noch der Golf und der Golf Variant gebaut. Erst 2021 wird Zwickau ein reiner E-Standort sein. Alles wird neu und wir gehen davon aus, dass die Flexibilität und Innovationskraft bei unseren Zulieferern gut ausgeprägt sind. Verbrennerbezogene Teile werden schrittweise entfallen und dafür neue hinzukommen. Dieser Prozess beginnt jetzt und wird sich entwickeln.
Welche E-Modelle werden gebaut?
Wir werden in Zwickau die ersten sein, die Fahrzeuge der I.D. Familie bauen. Zunächst für Volkswagen und in der Folge auch für andere Marken des Konzerns. Damit erhält das Fahrzeugwerk ein absolutes Alleinstellungsmerkmal und die Leitwerk-Funktion sowie die damit verbunden Emotionalität für den I.D. Wir gehen heute davon aus, dass dies auf den Plattformen des I.D. und des I.D. Crozz geschieht und es mindestens sechs unterschiedliche Fahrzeugmodelle sein werden.
Was bedeutet das für die Qualifizierung?
Das können wir heute noch nicht im Detail sagen. Auf jeden Fall sind in Zwickau Erfahrungen bei der Verarbeitung sehr unterschiedlicher Materialen im Karosseriebau vorhanden. Die Hochvolttechnik ist neu und die Anforderungen an die Infotainmentsysteme, die digitalen Schnittstellen, die Inbetriebnahme und Programmierung, aber auch der Umgang mit Batterien in der Lager- und betrieblichen Energiewirtschaft müssen kurzfristig definiert werden. Mit unserem Volkswagen Bildungsinstitut und den exzellenten Kontakten in die Hochschullandschaft Sachsens haben wir hier alle Voraussetzungen, das Thema vorbildlich zu lösen. Auch unsere Komponentenwerke stehen uns hier hilfreich zur Seite.
Welche Rolle kommt der Gläsernen Manufaktur zu?
Mit dem e-Golf ist sie bereits ein reiner E-Standort. Die Erfahrungen werden in unsere Planungen in Zwickau einfließen. Als Center of Future Mobility mit der einmaligen Verbindung von Fertigung und modernem Kundenerlebnis gibt sie uns die Chance, direkt mit den Kunden in Kontakt zu treten und deren Erfahrungen zurückzuspiegeln. Die Manufaktur wird deshalb nach dem Anlauf der MEB-Fahrzeuge in Zwickau ebenfalls in die Fertigung der E-Fahrzeuge integriert. Zusätzlich ist hier ein Testfeld für zukünftige Montage-Automatisierungen vorgesehen.
Was passiert mit dem Motorenwerk?
Die Entscheidung, in Chemnitz die kleinen kompakten Benziner der Baureihe EA 211 zu bauen, war ein Glücksfall für den Standort. Diese Motoren werden sehr stark nachgefragt. Im Zukunftspakt ist daher die Vollauslastung des Standortes bis 2025 fixiert. Wir haben damit die Zeit bekommen, in Ruhe und mit Besonnenheit an Zukunftsstrategien für Chemnitz zu arbeiten.
Wie werden sich die Arbeits- und Mitarbeiterstrukturen verändern?
Die Veränderungen werden zügig kommen. Als moderner Standort für Fahrzeuge der Zukunft müssen wir auch die Arbeitsprozesse modern und zukunftsorientiert gestalten – Automatisierung auf der einen Seite und intelligente Arbeitsorganisation auf der anderen. Wir wollen in sogenannten Fertigungsteams arbeiten und eine hohe Flexibilität erreichen. Mittelfristig wird es darauf ankommen, dass der Anteil einfacher Arbeitsplätze zurückgeht. Das muss jedem klar sein. Qualifizierungsbereitschaft ist gefragt und wir müssen uns auch gesellschaftlich fragen, ob unsere Bildung bis in die Berufsschule noch zeitgemäß ist. Als Konzern-Mehrmarken-Standort wird auch Internationalität viel stärker notwendig werden, als das bisher der Fall ist. Zusammengefasst: Es wird alles neu in Sachsen. Über all dem steht die Beschäftigungssicherung bis 2025. Dazu haben wir uns bekannt und es ist an uns, dies zu gestalten – mit allen Beteiligten.