Rund 300 internationale Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten Ende Januar 2019 in Dresden den aktuellen Stand sowie die Perspektiven für die industrielle Anwendung additiver Technologien (AM). Gastgeber des 3. Internationalen Symposiums Additive Manufacturing ISAM war wie bei den Vorveranstaltungen 2015 und 2017 das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS.
Prof. Christoph Leyens, IWS-Institutsleiter und Direktor des Instituts für Werkstoffwissenschaft der TU Dresden erläuterte, weshalb Dresden dafür der richtige Platz ist und die Region sich zu einem internationalen Hotspot des AM entwickelt hat. „Dresden ist einer der führenden europäischen Forschungs- und Innovationsstandorte für industrielle Anwendungen: Allein im vom Fraunhofer IWS geführten Innovationsverbund AGENT-3D arbeiten über 120 Partner aus Industrie und Wissenschaft gemeinsam an der Weiterentwicklung von additiven Fertigungsverfahren“, so Prof. Leyens. Diese Kompetenz zieht an: Der Werkstoffexperte freute sich besonders über den sehr hohen Anteil an Industrievertretern zum ISAM, der deutlich über 50 Prozent lag.
Additive Fertigung, bei der Material schichtweise aufgetragen und so nach und nach ein Produkt, Modell, Werkzeug oder ein Prototyp „gedruckt“ wird, findet bereits Anwendung in unterschiedlichen traditionellen Industrien wie dem Fahrzeugbau, aber auch in produzierenden Branchen. Mit dem Verfahren lassen sich zum Beispiel Verschleißteile kostengünstig und zügig auch in kleinen Losgrößen produzieren und für Wartungs- und Reparaturarbeiten einsetzen. Für die Produktion braucht es lediglich ein Computermodell, das die traditionelle, kostenintensivere Gussform ersetzt. Das Schichtbauprinzip erlaubt es, beliebige komplexe Geometrien und innere Strukturen zu schaffen und bietet nahezu unbegrenzte gestalterische und konstruktive Freiheit im Umgang mit Werkstoffen. Das hat auch die Luft- und Raumfahrtindustrie erkannt: Sie nutzt diese Fertigungsverfahren, um Prototypen neuer Bauart zu produzieren, die Flugzeuge und Raumfahrtzeuge leichter, flexibler und kostengünstiger gestalten, berichtete Dr. Laurent Pambaguian von der Europäischen Raumfahrtagentur auf der Konferenz. Bisher kommen für die additive Fertigung hauptsächlich Materialien wie Kunststoff, Keramik, Kunstharz oder Metall zum Einsatz. Komposite wie Karbonverbundwerkstoffe oder Nanomaterialen gewinnen in jüngster Zeit an Bedeutung. Neben dem Sicherstellen spezifischer Produkteigenschaften ist das Integrieren weiterer Funktionalitäten in das Bauteil ein zentrales Ziel der Materialforschung.
Von der Nischentechnologie zur disruptiven Kraft
Industrieanalysten haben das Additive Manufacturing seit langem im Blick: Der Markt wächst rapide, schon 2017 umfasste er etwa sieben Milliarden Dollar. Immer mehr Akteure suchen und finden ihren Platz in der Wertschöpfungskette. Insbesondere die additive Fertigung mittels Metallen sei bereits auf dem Sprung von der Nischentechnologie hin zur Industriereife. „Additive Fertigung setzt neue Impulse in der Produktion und rüttelt so traditionelle Industrien und Märkte durch“, so Prof. Leyens. Das Fraunhofer IWS unterstützt etablierte Akteure auf dem Weg in die Zukunft. In Dresden arbeiten die Forscher an Schwerpunkten wie dem Einsatz verschiedener Werkstoffe in einer Komponente, der Skalierung von Bauteildimensionen oder auch an topologisch optimierten Strukturen. „Unsere Partner aus den Branchen Luft- und Raumfahrt, Werkzeugbau oder Medizintechnik profitieren dabei von unserer einmaligen Infrastruktur“, erklärt Prof. Leyens. „Wir verfügen zum Beispiel über eine breite Verfahrensvielfalt in der Additiven Fertigung, eigene industrieerprobte, systemtechnische Entwicklungen und über unterstützend wirkende Systeme zur zerstörungsfreien Prüfung.“
Bei der diesjährigen ISAM diskutieren die internationalen Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft vor allem neue Einsatzzwecke additiver Fertigung im industriellen Umfeld. So stellt zum Beispiel Stefanie Brickwede von der Deutschen Bahn AG in ihrem Vortrag „We Print to Drive: Mobility goes Additive“ vor, welche Lösungen additive Fertigung für die Mobilität bietet und Chang-Woo Lee von KITECH zeigt in seinem Beitrag „Metal Additive Manufacturing Process Technology of Medical Applications in South Korea“, wie die Medizintechnik von Druckverfahren profitieren kann. „Das alles sind Beispiele für die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Technologie“, weiß Prof. Frank Brückner, Leiter des Geschäftsfelds Additive Manufacturing am IWS und Koordinator des Additive Manufacturing Centers Dresden (AMCD), das verfahrensübergreifend Werkstoff- und Fertigungslösungen für die Branchen Luft- und Raumfahrt, Automobilindustrie, Energietechnik, Werkzeug- und Formenbau sowie Medizintechnik entwickelt. „Je zuverlässiger die Verfahren werden, desto stabiler die Bauteile und desto flexibler wird ihr Einsatz auch in verschleißkritischen Anwendungen möglich. In China werden mittlerweile ganze Häuser gedruckt.“
Der europäische Fokus liegt jedoch auf dem Einsatz in der industriellen Produktion. Für diese neuen Einsatzfelder braucht es auch neue Materialien und Materialmixe, die den steigenden Anforderungen aus Flexibilität und Stabilität gerecht werden. Gleichzeitig darf der Kostenaspekt nicht außer Acht gelassen werden. „Letztlich steht und fällt der eingeläutete Siegeszug des Additive Manufacturing mit der Qualität und Produktivität der Prozesse – daran arbeiten internationale Forscher mit Hochdruck. Wir freuen uns, dass IWS und AMCD einen herausragenden Stellung in der Entwicklung additiver Fertigung innehaben“, so Prof. Leyens.