Viele Unternehmer haben in den vergangenen Monaten ein neues Wort kennengelernt: Taxonomie. Mit dieser bereits seit Juli 2020 geltenden EU-Verordnung sollen Investitionen in ein nachhaltiges Wirtschaften gelenkt werden, um die Ziele des „Europäischen Green Deals“ zu erfüllen. Die Verordnung greift seit dem 1. Januar 2022 für große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern sowie für die Finanzbranche. Sie schlägt jedoch absehbar auch auf KMU durch.
Laut Christoph Neuberg, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Geschäftsführer Standortpolitik der IHK Chemnitz, setzt die EU mit der Taxonomie-Verordnung „chirurgisch präzise“ das Skalpell an einer neuralgischen Stelle an – beim Bankensektor: „Die EU hat Normen aufgestellt, damit Finanzinstitute Gelder in wirtschaftliche Aktivitäten investieren, die einen nachweislichen Beitrag zu Klima- und Umweltschutzzielen leisten. Je ‚grüner‘ die Anlagen, umso besser die Refinanzierungskonditionen.“
Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. „Die Berichtspflichten von Betrieben gegenüber ihren Kapitalgebern nehmen zu. Gefordert werden Nachweise zu CO2-Bilanz und weiteren Nachhaltigkeitskriterien. Das wird mittelbar auch Anpassungen in der Lieferkette erfordern. Wer aus ökologischer Sicht unattraktive Portfolios hat, wird schlechtere Konditionen erhalten. Das betrifft nicht nur Bankenfinanzierungen, sondern wird auch ein Gradmesser für den Erhalt von Fördermitteln sein“, umreißt Christoph Neuberg das Ausmaß.
Die industrielle Basis erhalten
Besonders auf Zulieferer für den klassischen Antriebsstrang sieht er weitere Erschwernisse zukommen. Sie seien ohnehin durch niedrige Margen, sinkende Stückzahlen und lange Zahlungsziele gebeutelt und werden jetzt „quasi als Old Economy“, so Neuberg, zusätzlich benachteiligt. Das gleiche trifft auf energieintensive Branchen wie Gießereien zu. „Die Frage ist: Wollen wir diese Industrien in Europa halten oder nicht? Schließlich beginnt auch die Herstellung klimapolitisch gewollter batterieelektrischer Autos mit Pressformen aus gegossenem Metall. Die Alternative wäre, die benötigten Produkte dort einzukaufen, wo die Fertigung eventuell nach weniger strengen Auflagen erfolgt. Als Gegenargument wird ins Gespräch gebracht, diese Importe zu beaufschlagen. Damit werden aber wiederum Freihandelsabkommen unterlaufen“, zeigt Christoph Neuberg keineswegs triviale Folgen auf.
Vorgehen mit Augenmaß gefordert
Dass wirtschaftliches Engagement für Klima- und Umweltschutz notwendig ist, steht für die IHK Chemnitz außer Frage. Jedoch müsse die Umsetzung des „Green Deals“ mit Augenmaß erfolgen. „Wir brauchen ein Vorgehen, das die Wertschöpfung in Deutschland und der EU sichert, das Anreize und Innovation in den Vordergrund stellt und die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere kleiner und mittlerer Firmen stärkt. Der Erhalt eines gesunden mittelständischen Unternehmertums ist gerade für unsere Region von existenzieller Bedeutung“, unterstreicht der Fachmann für Standortpolitik.
Unterstützung bei Taxonomie-Check
Immer mehr Unternehmen werden jetzt durch Banken oder Kunden aufgefordert, ihre Taxonomie-Konformität zu ermitteln. Dabei steht die IHK Chemnitz unterstützend zur Seite. Die Interessenvertretung der Industrie informiert und sensibilisiert für das Thema. Ebenso bietet sie individuelle Beratung für einen Taxonomie-Check an. Für diese Aufgabe steht ab zweitem Quartal 2022 auch ein Referent für Energie- und Klimapolitik bereit. Darüber hinaus wird sich ein im Aufbau befindlicher IHK-Arbeitskreis Energie- und Klimapolitik u. a. den mit der Taxonomie verbundenen Herausforderungen widmen.