„Revolution in der Autowelt“ titelt der 25. Internationale Jahreskongress der Automobilindustrie am 12. und 13. Oktober 2021 in Zwickau. Neben technologieoffenen Antriebskonzepten, vernetztem Fahren, Lieferketten- und CO2-Gesetzgebung sowie generellen Anforderungen an die Politik befindet sich erstmals das Thema Bergbau konkret auf der Tagesordnung, wie Veranstalter und Referenten auf einer Pressekonferenz Ende August 2021 im August Horch Museum Zwickau informierten. Es steht zu allen vorgenannten Diskussionsfeldern in engem Zusammenhang.
Oben Golfplatz, unten Bergbau – grüner geht’s nicht
Wenn Europa auf Elektromobilität setzt, aber zulässt, dass die Rohstoffgewinnung dafür in anderen Teilen der Welt unter oft unmenschlichen und die Umwelt belastenden Bedingungen stattfindet, dann ist das ziemlich scheinheilig, findet Roberto Garcia Martinez. Der spanische Vorstandsvorsitzende des schwedischen Bergbauunternehmens Eurobattery Minerals plädiert dafür, Batterierohstoffe wie Kobalt, Lithium, Kupfer und Seltene Erden nachhaltig und fair in Europa abzubauen, um geopolitisch unabhängiger zu werden. Der Bergbauexperte ist nach Sachsen gekommen, weil hier u. a. Kupfer und Kobalt lagern und in modernen Minen gefördert werden können. Bergbau von heute sei hochautomatisiert und sauber, sagte er und verwies auf ein Unternehmensprojekt in Finnland: „Während untertage der Abbau im Gange ist, wird obendrauf Golf gespielt. Grüner geht Bergbau nicht.“
Martinez hat bereits mit Vertretern von Automobilherstellern und der sächsischen Staatsregierung gesprochen. Das Interesse ist auf allen Seiten groß. Es geht um Investitionen im dreistelligen Millionenbereich, um Arbeitsplätze, etwa in der Kohleausstiegsregion Lausitz, sowie um kurze nachhaltige logistische Ketten vom Batterierohstoff bis zum einbaufertigen Batteriemodul im Fahrzeugmontagewerk. Das Hauptproblem heißt Geschwindigkeit. „Derzeit dauert es vom Erwerb einer Mine bis zur marktreifen Mineralienförderung nicht selten zehn Jahre. Das kann so nicht bleiben. Wir müssen den Mut haben, modernen und umweltschonenden Bergbau wieder zuzulassen“, fordert der Bergbauexperte und verwies darauf, dass es Länder gibt, in denen solche Projekte in zwei bis drei Jahren realisiert werden.
Es fehlt eine einheitliche wirtschaftspolitische Strategie
Das war eine Steilvorlage für den Geschäftsführer der GL Gießerei Lößnitz, Max Jankowsky, der die Revolution nicht nur in der Autowelt, sondern in der gesamten Industrie als notwendig ansieht. Deutschland stehe eigentlich schon vor einer Industrie 5.0, aber nach wie vor fehle eine stimmige industriepolitische Strategie. Davon sei leider auch im aktuellen Wahlkampf nichts zu hören. Es gibt keine Konzepte, wie der geforderte Wandel mit einer Schuldenbremse funktionieren soll, wie man mit den weltweit höchsten Industriestrompreisen führend in der Elektromobilität werden will oder wie die Forderungen aus CO2-Ausgleichs- und Lieferkettenregelungen sowie aus dem geplanten „Fit for 55“-Programm der EU insbesondere den industriellen Mittelstand wettbewerbsfähig halten sollen. „Wenn wir keine einheitliche europäische Wirtschaftsstrategie erreichen, dann freuen sich andere Regionen in der Welt über Wettbewerbsvorteile. Dann werden Egoismus und Protektionismus weiter gefördert“, warnte er. Ebenso brauche man mehr Menschen mit Sachverstand in der Politik, damit Gesetze nicht an der Praxis vorbei in Kraft gesetzt werden.
Containerkosten in einem Jahr um den Faktor 20 gestiegen
Von nachteiligen Auswirkungen globaler Lieferketten berichtete auch Björn Riechers, Geschäftsführer des Intralogistik-Spezialisten LKE. So haben sich die Kosten für Seecontainertransporte von China nach Europa in einem Jahr um den Faktor 20 verteuert. Lieferketten neu aufzustellen und dabei als Mittelstand den Schulterschluss in Netzwerken zu suchen, auch um mit einer Stimme in Richtung Politik zu sprechen, definierte er als eine Schlussfolgerung aus der jetzigen Situation.
Wie wird die Arbeit zukünftig zwischen Herstellern und Zulieferern verteilt?
LKE mit Sitz in Nordrhein-Westfalen und Produktion in Großenhain vertraut hier auch auf die Kraft und Kompetenz des sächsischen Automobilzuliefernetzwerks AMZ und bringt sich als eines von über 160 Mitgliedern aktiv ein. AMZ-Netzwerkmanager Dirk Vogel informierte zum Pressegespräch, dass die Zulieferer im Freistaat wieder Fahrt aufnehmen und wieder in Richtung Vor-Corona-Niveau wachsen. Etwa die Hälfte hat Aufträge im Bereich E-Mobilität. Die Frage ist, wie Spektrum und Volumen von Teilen für die neue Mobilität zukünftig zwischen Automobilherstellern und Zulieferern verteilt werden. Antworten darauf gibt es u. a. zur AMZ-Jahreslounge am 12. Oktober 2021, mit der der Jubiläums-Automobilkongress eröffnet wird.
Offener Schlagabtausch ist Markenzeichen des Kongresses
Dr. Dieter Pfortner, Präsident der IHK Chemnitz, stellte das weitere Programm vor. So wird es am 12. Oktober erstmals die Möglichkeit geben, Elektroautos selbst zu fahren. Partner aus der Region stellen dafür Fahrzeuge verschiedener deutscher Hersteller auf dem Zwickauer Kornmarkt bereit. Zum Galaabend am gleichen Tag hat die Verleihung des August-Horch-Ehrenpreises Premiere. Er wird an eine verdiente Persönlichkeit bzw. ein Unternehmen vergeben. Der zweite Tag steht im Zeichen der fachlichen Diskussion. Der offene, zum Teil konträre Schlagabtausch ist ein Markenzeichen des Kongresses, der jährlich rund 350 Gäste aus dem In- und Ausland anzieht. 1997 wurde die Veranstaltung von der Regionalkammer Zwickau der IHK Chemnitz aus der Taufe gehoben und wird seitdem von der IHK organisiert. Kooperationspartner ist seit vielen Jahren das Netzwerk AMZ.