Die sächsischen Automobilzulieferer sind wie alle Unternehmen der Branche mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Neben Antriebswandel, Absatzflaute und Corona-Pandemie verschärfen politische Entscheidungen die Situation noch zusätzlich. Der Gesprächsbedarf unter den Akteuren ist groß und der 24. Internationale Jahreskongress der Automobilindustrie am 13./14. Oktober 2020 in Zwickau eine gefragte Plattform zum Informations- und Meinungsaustausch. Einen Vorgeschmack auf die Themen gaben die Veranstalter von der IHK Chemnitz und dem Automobilzuliefernetzwerk AMZ sowie Unternehmer aus der sächsischen Zulieferindustrie zum Pressegespräch am 22. September 2020 bei der DRH Vermögensverwaltung GmbH in Zwickau.
Für Max Jankowsky wirft beispielsweise das ab Januar 2021 in Kraft tretende Brennstoffemissionshandelsgesetz große Schatten voraus. Der Geschäftsführer der Gießerei Lößnitz konnte von Corona-bedingten Produktionsunterbrechungen bei Unternehmen in Südeuropa profitieren und verwies auf die Bedeutung von Wertschöpfungsketten in Deutschland. Mit der neuen Regelung spielen die deutschen Gesetzgeber seinen europäischen Konkurrenten jedoch einen echten Wettbewerbsvorteil zu, denn die Gießerei Lößnitz muss für jede Tonne an fossilem Brennstoff, die sie für die Herstellung von Werkzeugformen benötigt, einen CO2-Preis von zunächst 25 Euro zahlen, der dann ab 2022 weiter anwächst. „Dieser nationale Alleingang hilft weder der deutschen Wirtschaft noch dem Klima, denn damit wird einer Produktionsverlagerung an ausländischen Standorten Vorschub geleistet, an denen CO2-Einsparungen weniger eine Rolle spielen. Klimaschutz ist wichtig, braucht aber ein einheitliches Handeln in Europa“, betont Max Jankowsky und unterstreicht, dass so ein Gesetz schon Sinn mache, aber die Umsetzung gerade für kleinere Unternehmen viele Fragen offenlasse. „Für die Details muss die Politik mehr den Dialog mit dem Mittelstand suchen“, fordert er.
Die KMU als Rückgrat der deutschen Wirtschaft brauchen jegliche Unterstützung seitens der Politik, appelliert auch Gerd Wagner, Geschäftsführer des Chemnitzer Unternehmens Qualitas, an die entsprechenden Entscheidungsträger. Das betreffe sowohl die Förderung von Technologieoffenheit bei alternativen Antrieben als auch das Aufheben von Sanktionen gegenüber Ländern wie Russland oder Iran. „Wenn diese Entwicklung nicht gebremst wird, dann gerät das Rückgrat der deutschen Wirtschaft in Gefahr.“
An politischen Restriktionen scheitert bislang auch der Einsatz synthetischer Kraftstoffe. Sie dürfen nach wie vor nicht auf die CO2-Bilanz von Fahrzeugen angerechnet werden. Für das Erreichen der Klimaziele sind sie jedoch unumgänglich, ist Dr. René Stahlschmidt, Vertriebsleiter der CAC Chemieanlagenbau Chemnitz GmbH, überzeugt. Das Unternehmen hat eine Technologie zur Herstellung von „grünem“ Kraftstoff entwickelt, die Marktreife besitzt. Wenn der Anteil e-mobiler Fahrzeuge in den nächsten Jahren auf etwa 35 Prozent steigt, bleibt immer noch eine deutliche Mehrheit nicht-elektrifizierter Fahrzeuge. Für diese bieten synthetische Kraftstoffe gute Chancen, CO2-neutral zu fahren. Die aktuellen Verbrennungsmotoren sowie die jetzige Tankstruktur können dafür ohne größere Anpassungen genutzt werden.
Unter den Nägeln brennt den Unternehmen derzeit auch das geplante Lieferkettengesetz. „Im Automotive-Bereich sind die Ketten grundsätzlich global. Sie müssten bis auf TierX-Ebenen zurückführbar sein, beispielsweise bis zu jedem Sublieferanten eines ausländischen Stahlherstellers, aus dessen Material ein deutscher Zulieferer Teile fertigt. Wie soll das ein kleiner Mittelständler leisten“, fragt AMZ-Netzwerkmanager Dirk Vogel. In Deutschland habe man derzeit offenbar eine „Riesenbegeisterung“ dafür, Gesetze und Regularien zu verschärfen. Angesichts der Marktsituation und der Tatsache, dass Deutschland als „Weltmeister bei Energiekosten“ die Wirtschaft belaste, ein völlig unangemessenes Vorgehen. „Der Automobilkongress ist deshalb ein wichtiger Baustein, um auf diese Themen aufmerksam zu machen und gangbare Wege zu diskutieren“, so Vogel.
Auch Dr. Dieter Pfortner, Präsident der IHK Chemnitz, sieht den Kongress als Ort eines „intensiven Meinungsstreits“. „Es lohnt sich für jeden dabei zu sein und zu hören, wie der Transformationsprozess in der Automobilindustrie weiterlaufen wird, auch wenn er nicht unmittelbar im Antrieb tätig ist.“ Die IHK habe sich die Entscheidung nicht leichtgemacht, ob der Kongress als Präsenzveranstaltung stattfinden solle. „Wir wollen schließlich keinen Corona-Hotspot entstehen lassen“, so Pfortner. Andererseits sei ein Zusammenkommen wichtig für die Branche. Das Veranstaltungskonzept wurde so angepasst, dass an jedem Ort die Hygieneregeln eingehalten werden können. Die AMZ-Lounge findet am 13. Oktober 2020 bei der DRH Vermögensverwaltung statt, der Galaabend im August Horch Museum und die Tagung am 14. Oktober 2020 im Rathaus Zwickau. Das Hygienekonzept hat das Gesundheitsamt Zwickau bestätigt.
Informationen zum Programm und die Anmeldeformalitäten.