Der 4. November 2019 markiert den Beginn einer neuen Zeitrechnung für Volkswagen und ein Stück weit auch für die deutsche Automobilindustrie. Mit diesen Worten begrüßte Thomas Ulbrich, Vorstand E-Mobilität der Marke VW und Chef von Volkswagen Sachsen, die Gäste zum Produktionsstart des ID.3 in Zwickau. Die ersten Fahrzeuge der neuen E-Auto-Generation wurden im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel und weiterer zahlreicher Politprominenz präsentiert. Vertreter der in unmittelbarer Nähe arbeitenden Zulieferer und Dienstleister für den ID.3 fehlten dagegen zum Festakt.
Bis 2028 will der VW-Konzern rund 22 Millionen E-Fahrzeuge verkaufen und dem E-Auto zum Durchbruch verhelfen. Der Standort Zwickau spielt dabei eine Schlüsselrolle: Erstmals wird eine große Autofabrik mit Investitionen von 1,2 Milliarden Euro komplett auf E-Mobilität umgerüstet. Bereits 2020 – noch während der Umbauphase – sollen rund 100.000 E-Modelle produziert werden. Ab 2021 sind bis zu 330.000 Autos der Marken VW, Audi und Seat pro Jahr geplant. Zwickau wird damit zum größten und leistungsfähigsten E-Auto-Werk Europas.
„Wir stehen vor einem Systemwechsel zur Elektromobilität. Es ist keine Frage mehr, ob sich das Elektroauto durchsetzt. Sondern wie schnell in welcher Region der Welt“, betonte der VW-Vorstandsvorsitzende. Der ID.3 sei nicht das erste E-Auto, aber das erste mit hoher Reichweite, hoher Fertigungsqualität und hohem Nutzwert – und zwar zum Preis eines vergleichbaren Golf Diesel, warb Diess für das Produkt. Im Kampf gegen den Klimawandel pries er den batterieelektrischen Antrieb als einzig verfügbare Technologie, die sich schnell und zu vertretbaren Kosten in die Breite bringen lasse. Wasserstoff könne erst in der nächsten Dekade wettbewerbsfähig werden. Auch synthetische Kraftstoffe seien für Pkw auf absehbare Zeit zu teuer.
Damit der Systemwechsel schnell gelingt und Deutschland auch weltweit wieder eine Vorreiterrolle einnehmen kann, muss sich der Umstieg für den Kunden rechnen. Für den Hochlauf der E-Mobilität braucht es eine verlässliche Ladeinfrastruktur und Kaufanreize. An beiden Stellschrauben müsse die Politik mit drehen, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel und nannte eine Million Ladepunkte sowie sieben bis zehn Millionen E-Autos bis 2030 als Ziele. Dafür sei schnelleres und synchroneres Handeln aller Beteiligten beim Thema Infrastruktur notwendig. Der Bund werde in den nächsten Jahren 3,5 Milliarden Euro in den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur investieren. Doch diese Förderung sei bis 2025 begrenzt, „um wirklich auch Druck zu machen, dass die Ladeinfrastruktur gebaut wird“. Der Umweltbonus soll verlängert und für Fahrzeuge unter 40.000 Euro angehoben werden. Sie freue sich, dass gerade Zwickau das Flaggschiff für den Mobilitätswandel ist. Die Region sei Eckpfeiler sowohl der deutschen Automobiltradition als auch der Zukunft der deutschen Automobilindustrie.
An diesem Fundament hat ein Mann wesentlich mitgebaut, der zum Festakt in Zwickau herzlich begrüßt wurde – der frühere VW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Carl Hahn. Sein aktueller Nachfolger Dr. Herbert Diess würdigte die unternehmerische Weitsicht Hahns von vor 30 Jahren, die zum Auf- und stetigen Ausbau von VW Sachsen und des Autolandes Sachsen generell führte. Viel Lob gab es von allen Rednern, zu denen weiterhin der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Betriebsratsvorsitzende von VW Sachsen, Jens Rothe, gehörten, für die Leistungen der rund 8000 Zwickauer VW-Mitarbeiter in den herausfordernden Prozessen Werksumbau und Qualifizierung bei laufendem Betrieb. Nur am Rande wurde darauf hingewiesen, dass der Mobilitätswandel nicht an den Werksgrenzen Halt macht und die Zulieferer und Dienstleister, die zum Produktionsstart offensichtlich nicht eingeladen waren, davon genauso betroffen sind. Der Automobilbau in Zwickau ist mehr als unser Werk, betonte der Betriebsratsvorsitzende.