Europa will bis 2050, Deutschland bereits bis 2045 klimaneutral sein. Dafür braucht es schnelle wirksame Maßnahmen zur Senkung von CO2-Emissionen. Im Verkehrsbereich werde das nur möglich mit einem Antriebsmix. Neben batterieelektrischer und Brennstoffzellen-Mobilität seien strombasierte synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, dafür unverzichtbar, argumentieren Unternehmen und Verbände aus der Mineralölwirtschaft. Bei einer bundesweiten Info-Tour waren sie auch an der TU Bergakademie Freiberg. Dort wird mit Technologien des Chemieanlagenbaus Chemnitz bereits synthetisches Benzin produziert.
Freiberg war die vorletzte Station der E-Fuels-Tour. Rund 3.000 Kilometer hatte der Tour-Kleinwagen bis dahin bereits in den zurückliegenden zwei Wochen quer durch Deutschland absolviert. Das ist an und für sich keine bemerkenswerte Leistung. Doch der Pkw mit klassischem Ottomotor wurde ausschließlich mit synthetischem Benzin betankt. Ohne Umrüstungen am Fahrzeug oder beim Tanken, ohne Beeinträchtigungen beim Fahren. „Der Kraftstoff, für dessen Herstellung drei Stoffe genügen, nämlich grüner Strom, Wasser und CO2 aus der Luft, kann sofort genutzt werden. Damit kommt Klimaschutz direkt in den Tank“, betonte Dr. Lorenz Kiene. Der Geschäftsführer der Lühmann Gruppe, u. a. Betreiber einer Tankstellenkette, hat die Tour initiiert und Unterstützer beim Bundesverband Freier Tankstellen sowie dem UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e. V. gefunden.
Politik muss Vorteile von E-Fuels anerkennen
Mit der Fahrt wollen die Akteure die Vorteile von E-Fuels vor allem politischen Entscheidern, aber auch den Endverbrauchern aufzeigen und Chancengleichheit gegenüber der geförderten E-Mobilität erreichen. „Welche Rechtfertigung gibt es für die Ausklammerung von E-Fuels, weshalb werden sie in den EU-Plänen nahezu ausgespart“, fragt Kiene und erwartet hier ein schnelles Umdenken von der Politik angesichts des enormen Pluspunkts von E-Fuels. Mit ihrem Einsatz kann man die Bestandsflotte verbrennungsmotorischer Pkw von etwa 50 Millionen in Deutschland sowie von rund 1,4 Milliarden in der Welt schnell von fossilen Kraftstoffen „entwöhnen“ und damit in kurzer Zeit deutliche Umweltschutz-Effekte erzielen. Darauf verwies Jörg Engelmann, Geschäftsführer des Chemieanlagenbaus Chemnitz (CAC). Das Unternehmen hat bereits 2008 mit der TU Bergakademie Freiberg (TUBAF) die Entwicklung von grünem Benzin gestartet. Mittlerweile ist das Verfahren längst aus dem Reagenzglas-Stadium herausgetreten und eine marktreife Technologie steht zur Verfügung, mit der ganz ohne fossile Rohstoffe synthetisches Benzin hergestellt wird.
Ziel bis 2030: Jährlich eine Million Tonnen grünes Benzin aus Freiberger Anlage
Die Demonstrationsanlage an der TUBAF kann bereits heute 100 Liter pro Stunde herstellen. In einer ersten industriellen Anlage sollen es bis zu 50.000 Tonnen werden, ab 2024 dann bis zu 250.000 Tonnen pro Jahr. Ziel ist bis 2030 jährlich eine Million Tonnen synthetisches Benzin. „Diese Menge leistet bei einem jährlichen Verbrauch in Deutschland von etwa 16 Millionen Tonnen Ottokraftstoff einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der Klimaziele“, erklärt Jörg Engelmann. Deutsche sowie französische Fahrzeughersteller haben bereits umfangreiche Tests mit dem grünen Benzin erfolgreich durchgeführt. Neben Benzin lassen sich auch Diesel, Kerosin, Methanol, Ammoniak, Gas oder Flüssiggas aus CO2 und Wasser herstellen. „Alles, was man braucht, sind Strom, Katalysatoren und Reaktoren“, erklärt Prof. Dr. Martin Gräbner, Direktor des Instituts für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (IEC) an der TUBAF. DAS IEC ist von Anbeginn Partner des CAC bei diesem Vorhaben.
Transporteure für grünen Strom
Für die benötigten Mengen an grünem Strom – ebenso für weitere Projekte der Verkehrs- und Energiewende – ist ein Import aus energiebegünstigten Ländern notwendig. Auch hierfür sehen die E-Fuel-Verfechter strombasierte synthetische Kraftstoffe im Vorteil: Umgewandelt in E-Fuels beziehungsweise deren Rohstoffe Wasserstoff und Methanol ist grüner Strom in großen Mengen transportierbar und damit hierzulande nutzbar.