Bosch hat in Dresden Europas modernste Halbleiterfabrik eröffnet. Voll vernetzt, datengesteuert und selbstoptimierend nimmt das Werk ein halbes Jahr früher als geplant die Produktion von anwendungsspezifischen integrierten Schaltungen, sogenannten Asics, und Leistungshalbleitern auf. Gebraucht werden die Chips aus Dresden vor allem, um Fahrzeuge sicherer, effizienter und komfortabler zu machen.
Halbleiter – wesentlich für technische Souveränität Europas
Bosch-Chef Dr. Volkmar Denner betonte auf der virtuellen Eröffnungsveranstaltung am 7. Juni 2021, dass nichts besser passe für die großen Herausforderungen der Welt als das neue Werk für kleine Dinge. Klimaschutz, Digitalisierung und die technologische Souveränität Europas brauchen Halbleiter. Der aktuelle Mangel an Mikrochips, der u. a. Autofabriken weltweit immer wieder zum Stillstand zwingt, unterstreicht die Bedeutung dieser winzigen Bauelemente, die zukünftig nochmals enorm wächst. „Halbleiter sind Bausteine des Fortschritts. Elektronische Komponenten, die mit den Chips aus Dresden ausgestattet sind, ermöglichen Anwendungen wie automatisiertes und ressourcenschonendes Fahren sowie bestmöglichen Insassenschutz“, sagte Harald Kröger, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH. Noch 1998 betrug der Wert der Mikroelektronik in einem Neuwagen laut ZVEI-Angaben 120 Euro. 2018 lag dieser Wert bereits bei 500 Euro, und 2023 wird er voraussichtlich 600 Euro übertreffen. Damit sind Halbleiter ein Wachstumsfeld auch für Bosch.
Der Automobilzulieferer ist der einzige seiner Sparte, der sich seit den 1950er Jahren intensiv mit Mikroelektronik beschäftigt. Seit 1958 produziert das Unternehmen Halbleiter selbst. Im Werk in Reutlingen werden seit 1970 Spezialbauelemente gefertigt, die so am Markt nicht erhältlich sind. Seit der Einführung der 200-Millimeter-Technologie im Jahr 2010 hat Bosch mehr als 2,5 Milliarden Euro alleine in seine Halbleiterfertigungen in Reutlingen und Dresden investiert. Hinzu kommen weitere Investitionen in Milliardenhöhe für die Entwicklung der Mikroelektronik. Damit verfolgt das Unternehmen weiter seine Wachstumsstrategie in der Halbleiterentwicklung und -fertigung. „Diese Kompetenz ist der Schlüssel für zahlreiche überlegene Systemlösungen von Bosch“, so Denner und unterstrich: „Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz heben wir in Dresden die Produktion von Halbleitern auf ein neues Level.“
Pro Sekunde rund 500 Seiten Daten erzeugt und ausgewertet
Das neue Werk bezeichnet Bosch auch als seine erste AIoT-Fabrik. AIoT steht für Artifical Intelligence of Things. Das bedeutet: In der hochautomatisierten Fertigung sind alle Maschinen und Prozesse dank Künstlicher Intelligenz (KI) über eine Datenzentrale voll vernetzt. Die KI-basierten Systeme erkennen frühzeitig Anomalien und Störungen im Fertigungsprozess, beschleunigen die Lernkurven und erhöhen stetig die Qualität. Auch in der Produktionssteuerung kommt KI zum Einsatz, um die Wafer zeit- und kostensparend durch bis zu 700 Prozessschritte an rund 100 Anlagen im Werk zu navigieren. Pro Sekunde werden umgerechnet 500 Textseiten, pro Tag 42 Millionen beschriebene Blätter an Daten erzeugt. Deren Auswertung erfolgt mit Hilfe intelligenter Algorithmen in Echtzeit. Mit all diesen Maßnahmen garantiert Bosch eine hohe Prozessstabilität, verkürzt aufwändige Testphasen und beschleunigt Freigaben, sodass nicht nur früher produziert wird, sondern auch früher zuverlässig ausgeliefert wird.
Mikrochips – Lebenselixier der Wirtschaft
Fast auf den Tag genau drei Jahre hat der Bau des neuen Werkes gedauert. Mit einer Milliarde Euro Kosten war es die bisher größte Einzelinvestition der rund 130-jährigen Unternehmensgeschichte. Bosch hat dafür auch Fördergelder aus dem europäischen IPCEI-Programm erhalten, mit dem die EU Projekte von besonderem europäischen Interesse unterstützt. Die Wiederbelebung einer Halbleiterproduktion auf dem Kontinent gehört dazu, nachdem man zugelassen hat, dass diese Schlüsseltechnologie vor allem von Asien aus dominiert wird. Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin der EU-Kommission, verwies auf das Ziel, bis 2030 den Weltmarktanteil der europäischen Halbleiterfertigung auf 20 Prozent zu erhöhen. Dazu soll ein zweites IPCEI-Projekt etabliert werden, das von Deutschland ausdrücklich unterstützt wird, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem virtuellen Statement betonte. Sie verwies auf die Bedeutung von Mikrochips als das heutige „Lebenselixier der Wirtschaft“. Europa stehe hier nicht auf der Pole Position und müsse als Technologiestandort zügig aufholen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer freute sich, dass der Freistaat seine Rolle als „bester Mikroelektronik-Standort Europas“ weiter ausbaue. Aus Silicon Saxony, der Top-5-Region weltweit, kommt jeder dritte auf dem Kontinent produzierte Chip.
Die ersten Halbleiter aus dem neuen Bosch-Werk, das auf der 300-Millimeter-Technologie produziert, werden ab Juli in Elektrowerkzeugen des Unternehmens integriert. Ab September – und damit drei Monate früher als geplant – liefert die Dresdner Fabrik Elemente für die Automobilindustrie. Aktuell sind 250 Mitarbeiter in dem Werk beschäftigt. Deren Zahl soll bis auf 700 anwachsen.