Autoforum im Schatten geballter Probleme

Autoforum im Schatten geballter Probleme
Das 26. Automotive Forum Zwickau findet am 5. und 6. Oktober 2022 vor dem Hintergrund einer extrem geballten Problemlage statt. Darin waren sich die Akteure des Pressegesprächs im Vorfeld des Forums einig – v. l. Christoph Neuberg/Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz, Max Jankowsky/Geschäftsführer der GL Gießerei Lößnitz, Dirk Vogel/AMZ-Netzwerkmanager, Dr. Dieter Pfortner/Präsident der IHK Chemnitz und Ronald Gerschewski/Geschäftsführer IndiKar Wilkau-Haßlau. Foto: Frank Reichel
31.08.2022 | Redaktion Autoland

Zum 26. Mal lädt das Automotive Forum Zwickau am 5. und 6. Oktober 2022 die Branche nach Sachsen ein. Der Internationale Jahreskongress der Automobilindustrie steht unter dem Motto „Strukturwandel mit Innovationen“. Doch überschattet wird die Veranstaltung von der Ballung an Problemen, mit denen die gesamte Wirtschaft aktuell kämpft. Deshalb werden Themen wie Energiekrise, gestörte Lieferketten sowie der Umgang mit der generellen Unsicherheit in Wirtschaft und Gesellschaft ebenso die Diskussion prägen. Das wurde zum Pressegespräch Ende August deutlich.

2020 habe er Bauchschmerzen gehabt, 2021 Kammerflimmern und ob er im nächsten Jahr noch hier sei, könne er nicht beantworten. Max Jankowsky, der junge Chef der über 170 Jahre alten GL Gießerei Lößnitz, gehört seit Jahren zu den aktiven Unterstützern des Autoforums und berichtet in den Vorpressegesprächen regelmäßig über Unternehmen und Branche. Dabei spitzt sich die Situation von Jahr zu Jahr zu. „Wenn die Energiepreise auf dem hohen Niveau bleiben, dann ist die deutsche Gießereiindustrie weg“, prognostiziert er. Dann werden die Ausgangsprodukte für die Automobilproduktion wie Pressformen für Karosseriebau-Werkzeuge nicht mehr in Deutschland gefertigt, dann brechen hier immer mehr Glieder der Lieferkette weg. Wird dann irgendwann gar keine Autoproduktion mehr hier stattfinden? Diese Frage stand im Raum.

Ohne Frieden kommen wir nicht weiter

Für Max Jankowsky resultiert die aktuelle Situation nicht nur aus dem Krieg. Doch dieser verschärft alles. „Wir brauchen Frieden, sonst kommen wir keinen Schritt weiter.“ Dafür müsse nicht nur Frieden mit Freunden, sondern auch mit dem Feind geschlossen werden. Aktuell zeige sich, wie wenig krisenresistent Deutschland aufgestellt ist. Die Energiemarktkrise hat sich verselbstständigt. Diese Entwicklung hätte man vorher erkennen müssen. Jedoch bekämpfe die Bundesregierung, in der sich die Koalitionspartner gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben, die Folgen, nicht Ursachen der herbeigeführten Situation. Die Uneinigkeit stehe über dem Krisenthema.

Deutschland braucht einen Plan

Auch Ronald Gerschewski, geschäftsführender Gesellschafter der WELP Group und Geschäftsführer von IndiKar Wilkau-Haßlau, vermisst die Bereitschaft der Politik, Probleme zu lösen. „Wir brauchen Geschwindigkeit und Einigkeit. Wir brauchen einen Plan, was wir in Deutschland sein wollen, wovon wir in Zukunft leben wollen“, fordert er. Obwohl IndiKar nicht ganz so drastisch von Ressourcenverknappung betroffen ist wie Serienlieferanten, bringt auch bei einem Sonderfertiger ein fehlendes Bauteil die Produktion zum Stocken. Das kann allein schon dadurch passieren, dass das Teil zwar verfügbar ist, aber die Transportkapazität fehlt. Die Löcher in der Logistikkette werden ebenfalls immer größer

Die Politik verkennt die Komplexität von Lieferketten

Hochvolatile Lieferketten in Kombination mit aktuellen und kommenden Energiepreisen und -verfügbarkeiten bezeichnet AMZ-Netzwerkmanager Dirk Vogel als Hauptproblem der Zulieferer. Die Pufferzeiten in der Kette betragen höchstens ein bis zwei Tage. „Die Politik ist sich der Komplexität nicht bewusst. Sie macht die Branche kaputt. Es fehlt an Wirtschaftskompetenz“, sagt er und verweist darauf, dass es einfache Hebel gibt, um die Wirtschaft jetzt zu entlasten. Sie heißen: Energiesteuern senken, die Regulatorien zur Energiepreisbildung ändern und die Laufzeit der noch aktiven Atomkraftwerke verlängern.

Grenze der Belastbarkeit erreicht

Dr. Dieter Pfortner, Präsident der IHK Chemnitz und langjähriger Geschäftsführer eines Automobilzulieferers, zeigt sich besorgt angesichts steigender Aggressivität in der Unternehmerschaft. Die Grenze der Belastbarkeit sei erreicht. „Es fehlt generell eine Wertschätzung des Unternehmertums“, betont er. Die IHK Chemnitz hat gemeinsam mit der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft Ende Juli einen Offenen Brief an die Bundes- und die Landesregierung mit Maßnahmen für eine plan- und bezahlbare Energieversorgung geschickt. Auch die weiteren Vertreter in der Pressegesprächsrunde machen in ihren jeweiligen Branchenverbänden mit ähnlichen Aktionen aufmerksam. Es bleibt die Frage, warum diese sowie viele weitere Briefe und Appelle aus der Wirtschaft kein Echo in der Bundesregierung finden.

Keine Denkverbote

Angesichts der geballten Probleme stärkt das Präsidium der IHK Chemnitz dem sächsischen Ministerpräsidenten den Rücken in der Position zu Russlands Krieg gegen die Ukraine. Michael Kretschmer hatte in einer TV-Diskussion ein „Einfrieren des Krieges“ sowie die Rückkehr zu Verhandlungen gefordert. Ein Standpunkt, der für (West)-Entrüstung sorgte, der jedoch gerade in einer Demokratie diskutiert werden muss. Und der nicht wenige Anhänger hat.

Keine Denkverbote dürfe es auch geben, wenn es um Lösungsansätze für die Energiekrise gehe. Neben den bereits erwähnten Punkten wie Energiesteuersenkung und befristeter Weiterbetrieb der Atomkraftwerke zählt dazu die Nutzung des in Deutschland vorhandenen Erdgas-Vorkommen. Wissenschaftler der TU Bergakademie Freiberg und Experten aus der Wirtschaft haben im Auftrag der IHK Chemnitz Vorschläge für die Erschließung unterbreitet und aufgezeigt, dass die deutsche Fracking-Technologie sicher sei.

Kontakt zum Wachstumsmarkt Indien

Christoph Neuberg, Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz, zeigte die Bedeutung guter internationaler Beziehungen auf, die den Automobilkongress von Anfang an prägen. In diesem Jahr ist Indien das Partnerland. Der automobile Wachstumsmarkt bietet viele Chancen für eine Zusammenarbeit. Darauf wies in einer Videoschaltung Vishal Jadhav, Gründer und Geschäftsführer des B2B-Kooperationspartners Crescendo Worldwide, hin. IHK und Crescendo organisieren eine virtuelle Plattform, auf der sich deutsche und indische Unternehmen über tausende Kilometer hinweg kennenlernen und mögliche gemeinsame Interessen ausloten können. „Wir nutzen erstmals diese Form der Kontaktanbahnung, die günstiger ist als jedes Flugticket. Die Plattform wird außerdem auch noch einen Tag nach dem Kongress für virtuelle Treffen zur Verfügung stehen“, informiert Christoph Neuberg.

Vorschläge für August-Horch-Ehrenpreis

Neben Wachstumsmärkten wie Indien wendet sich der Kongress verschiedenen Innovations- und Technologiethemen zu. Dazu sprechen am 6. Oktober u. a. Vertreter von VW, Skoda, BMW, FEV, IAV und CAC. Der erste Kongresstag am 5. Oktober steht traditionell im Zeichen der AMZ-Mitgliederversammlung sowie verschiedener Werksführungen. Zum Galaabend wird zum zweiten Mal der August-Horch-Ehrenpreis verliehen. Da die IHK Chemnitz wie viele andere IHK in Deutschland Anfang August Opfer eines Hackerangriffes geworden ist, konnten evtl. E-Mails mit Vorschlägen für den Ehrenpreis nicht zugestellt werden. Das Veranstaltungsteam bittet deshalb darum, die Vorschläge nochmals an folgende alternative E-Mail-Adresse zu senden: veranstaltung@ihk-chemnitz.org

Auch postalisch ist eine Einreichung möglich:

Industrie- und Handelskammer Chemnitz
Straße der Nationen 25
09111 Chemnitz

Stichwort: August-Horch-Ehrenpreis

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