Für den weiteren Hochlauf der E-Mobilität ist die Verfügbarkeit von Batteriematerialien ein entscheidender Faktor. In der öffentlichen Wahrnehmung spielt Lithium eine wesentliche Rolle. Doch auch andere Ausgangsstoffe werden in erheblichen Mengen gebraucht, z. B. Flussspat. Sachsen hat hier gute Chancen, bei Gewinnung und Verarbeitung ganz vorn dabei zu sein.
Eine Lithium-Ionen-Batterie besteht zu zehn Prozent aus Elektrolyt. Darin sind wiederum zehn bis dreizehn Prozent Leitsalze enthalten. Aufgrund seiner guten Leitfähigkeit wird am häufigsten Lithiumhexafluorphosphat, kurz LiPF6, eingesetzt. „Bei einem durchschnittlichen Batteriegewicht von 500 Kilogramm sind das zwischen fünf und sieben Kilogramm LiPF6 pro E-Auto. Darin macht der Fluor-Anteil 75 Prozent aus“, rechnet Harald Werner vor. Der Chemietechnologie-Fachmann ist Technischer Geschäftsführer der Fluorchemie-Gruppe und leitet die Fluorchemie Dohna GmbH in der Nähe von Dresden.
In dieser Fabrik wird bereits seit vielen Jahrzehnten Fluorwasserstoffsäure, auch Flusssäure genannt, hergestellt. Das Produkt dient als Grundstoff für zahlreiche Branchen – von der Stahlveredlung in der Metallurgie bis zur Beschichtung von Pfannen im Konsumgüterbereich. Weiterhin entsteht im Dohnaer Herstellungsprozess Calciumsulfatbinder für die Baustoffindustrie.
Flusssäure wird zu knappem Gut
„Mit dem Push der Elektromobilität wird Flusssäure zu einem knappen Gut. Die bisher verfügbaren Mengen reichen für die europäischen Ziele in diesem Bereich bei weitem nicht aus“, sagt Thomas Leypold, Geschäftsführer der Fluorchemie-Gruppe, und verweist auf den geplanten bzw. schon im Gange befindlichen Aufbau von Batteriefabriken in Deutschland, die idealerweise aus der Region heraus beliefert werden sollten. „Wir haben ein umfangreiches Investitionsprogramm aufgesetzt, um den gesamten Prozess für die LiPF6-Herstellung von der Gewinnung der Rohstoffe über die Produktion der einzelnen Bestandteile bis hin zum Recycling zu einem nachhaltigen Kreislauf zu gestalten, der in Mitteldeutschland stattfindet, nah an den entstehenden Gigafabriken und konform mit den ESG-Kriterien für ein sozial-ökologisches Wirtschaften.“
Hohe Investitionen geplant
Rund 250 Millionen Euro will die Fluorchemie-Gruppe in den nächsten drei Jahren investieren, um das Unternehmen auf den neuen Markt der E-Mobilität vorzubereiten. Ausgangsstoff für alle Aktivitäten ist die Gewinnung von Flussspat. Die Gruppe besitzt Minen mit einem nachgewiesenen Vorkommen von fünf Millionen Tonnen und hat die Option für zwei weitere Minen mit nochmals drei Millionen Tonnen nachgewiesener Reserven. Im erzgebirgischen Niederschlag wird bereits Flussspat abgebaut, im nahen Aue aufbereitet und in Dohna u. a. durch Zusatz von Schwefelsäure zu Flusssäure verarbeitet. Aktuell erschließt die Fluorchemie eine weitere Flussspat-Grube in Thüringen, in der in zwei bis drei Jahren der Abbau starten soll. Von dort wird der aufbereitete Spat auch zum zweiten Flusssäure-Produktions-
standort der Gruppe nach Stulln in Bayern geliefert. Momentan muss die Fluorchemie einen Teil der benötigten Spate noch weltweit beziehen.
Kapazität für drei Millionen E-Autos
Zukünftig wird die Flusssäure zusammen mit Phosphor- und Lithiumverbindungen zu LiPF6 weiterverarbeitet. „Wir planen die Inbetriebnahme einer solchen Produktionsanlage im Chemiepark Bitterfeld in zwei Jahren. Ihre jährliche Kapazität ist auf den Bedarf von rund drei Millionen E-Fahrzeugen ausgelegt. Mit deutschen und ausländischen Elektrolytherstellern befinden wir uns bereits in der Verhandlung von Lieferverträgen“, erläutert Thomas Leypold. Der Phosphor-Anteil kommt von einem Joint-Venture-Partner am zukünftigen Produktionsstandort in Bitterfeld/Wolfen. Zum Lithium-Part verhandelt die Fluorchemie über den Erwerb einer Beteiligung an einer der größten Lithiumminen in Europa. Ein weiteres Joint Venture gründet die Gruppe mit einem führenden europäischen Partnerunternehmen aus der Chemieindustrie, einem Hersteller von Additiven und Lösungsmitteln, um den Automobil- bzw. Batterieherstellern eine Lösung für den Einkauf von Elektrolyten aus einer Hand zu bieten. Mit dem Partner Remondis arbeiten die Fluor-Experten schließlich an Batterie-Recyclingtechnologien, um z. B. Fluorid zurückzugewinnen.
„Wir brauchen mehr Tempo“
In Dohna hat im Zuge der geplanten Produkt- und Markterweiterung eine umfangreiche Modernisierung der bestehenden Anlagen begonnen. So ist u. a. vorgesehen, Reaktionswärme zur Herstellung von Wasserstoff zu nutzen und diesen wiederum für die Flusssäureproduktion einzusetzen. Außerdem soll der Konzernsitz der Gruppe nach Sachsen umziehen und hier auch ein neues Forschungszentrum entstehen, in dem u. a. an Feststoff-Fluorid-Batterien entwickelt wird. „Damit unsere Pläne Wirklichkeit werden, ist zuerst unser Engagement gefragt. Dafür haben wir sehr gute Mitarbeiter. Für zügige Fortschritte brauchen wir aber ebenso gute Rahmenbedingungen und schnelle Entscheidungen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass in unseren Nachbarländern ebenfalls mit Hochdruck an diesen Themen gearbeitet wird, oft mit besseren EU-Förderquoten als in Deutschland. Deshalb brauchen wir mehr Tempo“, appelliert Thomas Leypold an Politik und Behörden.