Sachsen hat das Potenzial, das führende deutsche Leichtbauland zu werden. Zu diesem Fazit gelangen die Autoren des Masterplans „Exzellenz im Leichtbau“. Wissenschaftler der Technischen Universitäten Freiberg, Chemnitz und Dresden haben die Leistungsfähigkeit des Leichtbaus in Wissenschaft und Wirtschaft in Sachsen untersucht. Die Leichtbau-Allianz Sachsen unterstützte das Projekt bei den organisatorischen Aktivitäten.
Schon heute hängen laut den Autoren der Studie rund 75.000 Arbeitsplätze in Sachsen direkt mit dem Leichtbau zusammen. „Besonders in der Luft- und Raumfahrt, im Automobilbau und im Transportwesen bietet der Leichtbau das Potenzial, neue Märkte zu erschließen. Der Abhängigkeit der sächsischen Wirtschaft von der aktuell stark im Wandel befindlichen Automobilbranche könnte damit entgegengetreten und nachhaltige Wertschöpfungs- und Wachstumspotenziale für die sächsische Wirtschaft geschaffen werden“, fasst Prof. Dr. Rudolf Kawalla, Prorektor für Forschung an der TU Bergakademie Freiberg und Vorstandsvorsitzender der Leichtbau-Allianz Sachsen, die Schlussfolgerungen des Masterplans zusammen. Um die Kompetenz sowie die Sichtbarkeit Sachsens im Bereich der Schlüsseltechnologie zu erhöhen, fordern die Autoren der Studie, die Leichtbauforschung sowie den Wissens- und Technologietransfer in die sächsische Wirtschaft zu stärken und zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen.
Leichtbauforschung in Sachsen stärken
Forschungseinrichtungen in Sachsen sind heute im bundesweiten Vergleich sehr erfolgreich bei der Einwerbung von Drittmitteln in der Leichtbauforschung. Aktuell gibt es mehr als 500 aktuelle bzw. geplante Forschungsvorhaben mit Leichtbaubezug im Freistaat. Jedoch gaben etwa zwei Drittel der Befragten an, dass die Leichtbaukompetenzen außerhalb Sachsens nur unzureichend wahrgenommen werden. Die Autoren der Studie fordern darum, die Sichtbarkeit des sächsischen Leichtbaus durch unterstützende Maßnahmen weiter zu erhöhen, indem Initiativen gebündelt werden und der Transfer in die Industrie erleichtert wird: „Leichtbau heißt forschen und entwickeln an den Grenzen der Physik. Dafür ist ein tiefgründiges Verständnis in vielen Wissensgebieten, wie Werkstoffmechanik, Konstruktionsmethodik und Prozessgestaltung und Lebenszyklusanalyse, notwendig. Ein Technologievorsprung lässt sich daher nur mit einem interdisziplinären Team erreichen, das die Ergebnisse direkt in die Praxis transferiert“, verdeutlicht Prof. Dr. Lothar Kroll, Leiter der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung und des Exzellenzclusters MERGE an der TU Chemnitz.
Transfer in Industrie muss optimiert werden
Rund 90 Prozent der befragten Wirtschaftsvertreter erachten den Ausbau des Leichtbau-Produktportfolios als zentral für die Erschließung neuer Märkte. Dennoch identifizieren die zumeist kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) im Leichtbau deutliche Herausforderungen beim Marktzugang. Optimierungsbedarf sehen sie insbesondere bei der Anwendung neuer Erkenntnisse aus der Forschung, aber auch bei der zentralen Koordination und der Außendarstellung der Branche. Hinzu kommen schwer kalkulierbare Risiken in der eigenen Forschung & Entwicklung, so dass dem Transfer von Ergebnissen aus Forschungseinrichtungen eine besondere Rolle zukommt. Dies stellt laut Masterplan einen zentralen Ansatzpunkt für das zukünftige Vorgehen des Freistaats im Bereich Leichtbau dar.
Mehr Weiterbildungsangebote für Fachkräfte
Wie die Studie zudem zeigt, fehlen in Sachsen schon jetzt Facharbeiter mit spezifischem Leichtbau-Wissen. Die Ausbildung sowohl der Fachkräfte als auch der Hochschulabsolventen im Land hingegen bewerten die Befragten als umfassend. Die KMU-Vertreter sind sich außerdem einig, dass der Abwanderung von Fachkräften in andere Regionen entgegengewirkt werden sollte. Auch Weiterbildungsangebote für Zugewanderte erfüllen noch nicht den Bedarf der Wirtschaft.
Prof. Dr. Hubert Jäger, Vorstandsmitglied des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik an der TU Dresden hebt hervor, dass „Leichtbau auch in Zeiten hoher ökologischer Gesellschaftsorientierung über alle Unternehmenshierarchien nicht selbstverständlich und nur schwer vermittelbar ist. Eine erfolgreiche Umsetzung ist daher nur möglich, wenn alle Hand in Hand auch für die Erreichung eines ökologischen Ergebnisses arbeiten. Angebote zur Aus- und Weiterbildung müssen daher dringend ausgebaut werden. Spezielle Berücksichtigung müssen dabei Recyclingfähigkeit, Digitalisierung für die Produktion und Einsatz im Baugewerbe für Hoch-, Tief- und Brückenbau, dem Zukunftsmarkt mit dem höchsten weltweiten Wachstumspotential, finden.“
Hintergrund: Masterplan „Exzellenz im Leichtbau“
Erarbeitet haben den am 12. Oktober 2020 in Freiberg vorgestellten Masterplan Wissenschaftler der Technischen Universitäten in Freiberg, Chemnitz und Dresden. Die Umsetzung des Verbundprojektes „Potentiale des Leichtbaus in Wissenschaft und Wirtschaft in Sachsen (LightSax)“ erfolgte kooperativ unter Beteiligung des Instituts für Strukturleichtbau der TU Chemnitz, des Instituts für Leichtbau und Kunststofftechnik der TU Dresden sowie des Instituts für Metallformung der TU Freiberg, wobei das Freiberger Institut die Rolle des Koordinators übernahm. Die Leichtbau-Allianz Sachsen unterstützte das Projekt bei den organisatorischen Aktivitäten.
Für die Studie wurden 16 Gespräche mit Leichtbau-Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung ausgewertet und etwa 100 Teilnehmer in einer Online-Umfrage zur Identifizierung von zukünftig relevanten Themenfeldern befragt. Mit Hilfe einer Stärken-/Schwächenanalyse wurden die Ergebnisse systematisch zusammengefasst. Begleitet wurde die Vorstellung des Masterplans von einer hybriden Dialogveranstaltung, bei der in einer Podiumsdiskussion auch die künftige Vorgehensweise diskutiert wurde. Die Maßnahme „LightSax“ wurde mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Stichwort: Leichtbau-Allianz Sachsen
Die Leichtbau-Allianz Sachsen wurde im Sommer 2016 initiiert und Ende 2017 der gleichnamige Verein gegründet, um als Bindeglied zwischen Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft die Zusammenarbeit der drei im Bereich Leichtbau maßgeblich forschenden Universitäten in Chemnitz, Dresden und Freiberg zu fördern und den Transfer der Technologien voranzutreiben. Der Leichtbau zählt zu den Innovationstreibern in Deutschland und Europa und ist von Politik und Industrie als herausragende Schlüsseltechnologie erkannt worden. Das führte auch zu seiner Verankerung in der aktuellen Hightech-Strategie der Bundesregierung.