Unternehmerreisen, Messebeteiligungen, Delegationsbesuche, Konferenzen, Workshops … Viele Instrumente, die die Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) seit 1991 für sächsische Unternehmen anbietet, sind seit gut zwei Monaten coronabedingt nicht durchführbar. Die WFS setzt deshalb auf Alternativen in der Krise und bereitet ebenso Aktivitäten für die Zeit danach vor. Optimistisch stimmen die 2019 erreichten Investments.
Die WFS ist seit ihrer Gründung Ansprechpartner für sächsische Unternehmen, die nationale und internationale Märkte erschließen sowie entwickeln wollen und auf der Suche nach Kooperationspartnern sind. Allein im vergangenen Jahr wurden u. a. insgesamt 13 technologie- und branchenbezogene Unternehmerreisen durchgeführt sowie 21 Firmengemeinschaftsstände auf Messen organisiert. Außerdem wurden 19 ausländische Wirtschaftsdelegationen – u. a. aus China, Vietnam, Mexiko, Russland und der Türkei – durch die WFS in Sachsen betreut.
Um die Absage und Verschiebung von Veranstaltungen sowie die Beschränkungen im Reiseverkehr zu kompensieren, setzt die WFS jetzt auf virtuelle Instrumente. Die sächsischen Unternehmen sollen gestärkt werden für die Zeit nach der Krise. Dafür werden derzeit gemeinsam mit den Partnern der Außenwirtschaftsinitiative Sachsen (AWIS) intensiv und fortlaufend die Entwicklungen auf den wichtigsten ausländischen Märkten analysiert und die länderspezifischen Corona-Regelungen mit Blick auf den grenzüberschreitenden und internationalen Warenverkehr sowie die Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter beobachtet. In Webinaren werden diese Informationen den Unternehmen zugänglich gemacht. Seit Beginn der Corona-Krise hat die WFS sieben Online-Veranstaltungen durchgeführt.
Kontakte zu den Partnern in unmittelbarer Nachbarschaft halten
Drei Webinare wurden speziell zu den Situationen in den Nachbarländern Tschechien und Polen durchgeführt – mit insgesamt 150 Teilnehmern. Die beiden Länder sind Sachsens wichtigste Importpartner und rangieren auf Platz 5 und 6 der sächsischen Exportmärkte. „Momentan geht es vor allem darum, informiert zu bleiben, Einschätzungen abzugeben und die Kontakte nicht abreißen zu lassen“, betont WFS-Geschäftsführer Thomas Horn. „Nach der Krise können wir helfen, die Kooperationen im In- und Ausland wiederzubeleben oder neu aufzubauen. Wir erwarten, dass die sächsischen Unternehmen mittelfristig noch stärker als zuvor Partner in den unmittelbaren Nachbarländern und in anderen EU-Staaten suchen werden. Umso mehr, wenn weltweit in vielen Regionen Reisebeschränkungen und Sicherheitsvorschriften weiterhin Bestand haben werden.“
Um in der gegenwärtigen Situation zielgerichtet zu unterstützen, hat die WFS zudem die „Kontaktstelle Lieferketten“ eingerichtet. An diese können sich sächsische Unternehmen wenden, die aktuell von Störungen oder Unterbrechungen ihrer internationalen Lieferketten betroffen sind.
Rekord: 27 Neuansiedlungen und Erweiterungen in 2019
Grund zum Optimismus in der aktuellen Zeit bietet der Blick zurück auf das Bilanzjahr 2019. Insgesamt 27 Ansiedlungs- sowie Firmenerweiterungsprojekte hatte die WFS vergangenes Jahr zum Erfolg geführt – das beste Bilanzergebnis seit dem Jahr 2000. Damit verbunden sind geplante Investitionen in Höhe von 805 Millionen Euro sowie die Schaffung von 1.828 neuen und die Sicherung von 473 Arbeitsplätzen.
Die gegenwärtige Situation beeinträchtigt dieses Rekordergebnis bislang nicht. Auf den Baustellen drehen sich die Kräne weiter, die Unternehmer treiben ihre Vorhaben voran. In Leipzig entsteht derzeit für den Automobilzulieferer Dräxlmaier eine 25.000 Quadratmeter große Produktionsstätte. Die Fertigstellung des Neubaus ist bis Ende 2020 vorgesehen. Die Firma wird dort ein leistungsstarkes 800-Volt-Gesamtbatteriesystem für einen rein elektrisch betriebenen Sportwagen aus dem Premiumsegment fertigen. Die Suche nach Mitarbeitern für die modernsten Fertigungsverfahren und komplexen Automatisierungstechniken ist bereits angelaufen – mindestens 150 sollen es am neuen Standort in Leipzig-Stahmeln werden.
Die Yellow Tec Plastic GmbH hatte vor einem Jahr ihre Standortentscheidung für Sachsen verkündet. In Görlitz will das Medizintechnik-Unternehmen Kunststoffprodukte für den medizinischen Bereich und die Biotechnologie herstellen. Die Errichtung der Gebäudehüllen ist bis September 2020 vorgesehen. Das Unternehmen schafft im Görlitzer Werk 60 Arbeitsplätze.
Beim Schweizer HLK-Unternehmen Belimo Automation Deutschland GmbH geht der Auf- und Ausbau des neuen Service- und Logistik-Centers in Großröhrsdorf ebenfalls planmäßig voran. Im Herbst 2020 soll der Betrieb anlaufen. Belimo ist Weltmarktführer in der Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Antrieben, Ventilen und Sensoren zur Regelung und Steuerung von Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen. Mit dem Investment rückt der Spezialist noch näher an seine Kunden in Deutschland, Nord- und Osteuropa heran. Bis 2028 werden in Sachsen 100 neue Arbeitsplätze entstehen.
Das Ansiedlungsgeschäft geht weiter
Wie Thomas Horn betont, geht das Ansiedlungsgeschäft weiter. Zwar werde das eine oder andere Vorhaben derzeit von den Unternehmen angehalten oder zurückgestellt. Der anfangs befürchtete Strömungsabriss sei aber nicht eingetreten. „In den vergangenen Monaten konnten wir trotz der überall schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen neue Anfragen akquirieren und sind sehr froh über dieses positive Signal für den sächsischen Wirtschaftsstandort“, so Horn.
Denn auch im Geschäftsbereich Akquisition/Ansiedlungen geht die WFS in der aktuellen Situation neue Wege. Es wird erwartet, dass zukünftig in der internationalen Investorenansprache digitale Formate eine weitaus größere Rolle spielen werden als bisher. In der ersten Testphase plant die WFS, ab Frühsommer mittels virtueller Veranstaltungen im Ausland zu akquirieren. Konkret sollen zunächst in Großbritannien mehrere Webinare für potenzielle Investoren durchgeführt werden. Dabei baut die WFS auf Maßnahmen zur Standortvermarktung in den Jahren 2018 und 2019 und wird bereits identifizierte Unternehmen ansprechen.
Auch die Nutzung digitaler Messe- und Konferenzformate wird derzeit bei der WFS vorbereitet – nicht nur zur Investorenansprache, sondern auch um für sächsische Unternehmen einen möglichen Ausgleich für die vielen Veranstaltungsabsagen in diesem Jahr zu finden.