Zwei von drei Unternehmen im sächsischen Automobilzuliefernetzwerk AMZ rechnen mit Produktionsrückgängen bis hin zum Produktionsstopp aufgrund der vom Corona-Virus verursachten Lieferengpässe. Das hat eine Adhoc-Befragung von AMZ Anfang März 2020 unter seinen 160 Mitgliedern ergeben. Nahezu jedes zweite Unternehmen teilte seine Situation zu den Auswirkungen der Epidemie auf Beschaffung und Produktion mit.
Gegenwärtig spüren 23 Prozent der Befragten Engpässe bei ihren Zulieferanten aus Asien. 28 Prozent erwarten diese zukünftig. Die Hälfte der Unternehmen sieht momentan keine Einschränkungen. „Das Hauptrisiko ist aktuell ein drohender Produktionsausfall in den sächsischen Firmen, weil die Zulieferungen aus China fehlen“, betont AMZ-Netzwerkmanager Dirk Vogel und erläutert: „In der vom Corona-Virus betroffenen Region um die Stadt Wuhan sind Teilehersteller konzentriert, mit denen sächsische Unternehmen Lieferbeziehungen unterhalten. Bisher spüren wir wenig Auswirkungen, weil noch ein Polster vorhanden ist, das zu Jahresanfang auf den Seeweg geschickt wurde, bzw. auch Sicherheitsbestände vorgehalten wurden. Aber auch diese sind endlich. Aktuell bleiben die Nachlieferungen aus, weil aufgrund der Werksstillstände in China nicht produziert werden konnte oder Schiffe keine Verladegenehmigung erhielten. Da in China die Ansteckungen zurückgehen, nehmen die Unternehmen die Fertigung zum Teil mit geringerer Kapazität wieder auf, so dass sich die Produktion in etwa drei bis sechs Woche normalisieren wird. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Virus in Europa nicht weiter ausbreitet und es dann zu einem großflächigen Stillstand in den europäischen Zulieferketten kommt.“
Die sächsischen Zulieferer versuchen, Defizite mit Alternativlieferanten zu kompensieren. Etwa ein Drittel der Firmen gibt dieses Vorgehen an. „Das funktioniert jedoch nur, wenn diese Lieferanten von den Fahrzeugherstellern freigegeben sind bzw. kurzfristig freigeben werden können“, informiert Dirk Vogel. Auch sind damit meist höhere Beschaffungskosten verbunden, bei denen nicht klar ist, ob der Kunde diese honoriert.
Mehr als zwei Drittel der sächsischen Unternehmen wollen mit Überstundenabbau und Kurzarbeit auf Produktionsreduzierungen bzw. -stopp reagieren. Freiwerdende Zeit soll u. a. für Trainings, Schulungen, Wartungs- und Servicearbeiten genutzt werden. Die Regelung zur Ausweitung der Kurzarbeit durch die Bundesregierung wird ausdrücklich begrüßt.
Etwa ein Drittel der Betriebe plant Kapazitätsreduzierungen. Dazu gehört das Kündigen von Unteraufträgen, aber auch das Entlassen von Mitarbeitern. Detaillierte Zahlenangaben wurden dazu nicht gemacht.
Auch das Einschränken von Dienstreisen sowie ein begrenzter Zugang von Personen in die Unternehmen sind Teil der Anti-Corona-Maßnahmen von Betrieben.
Am anderen Ende der Lieferkette, bei den Kunden, verspüren die sächsischen Automobilzulieferer momentan noch wenig Veränderungen im Abrufverhalten. Über 60 Prozent verneinen die Frage nach Auftragsreduzierungen. 22 Prozent vermelden Rückgänge im Bereich bis zu zehn Prozent. Bei zwölf Prozent der Firmen beträgt die Reduzierung des Auftragsvolumens bis zu 25 Prozent.
„Wenn bei den Automobilherstellern Teile fehlen, können logischerweise Fahrzeuge nicht fertiggestellt und verkauft werden. Die Fahrzeuge werden zwischengeparkt und warten auf die Teile, sofern diese nachträglich einbaubar sind. Ist dies nicht möglich, wird die Herstellung der betreffenden Fahrzeuge verschoben. Dies bremst alle übrigen Lieferanten ebenfalls aus, auch die, die liefern könnten, sofern keine Zwischenlagerbestände aufgebaut werden können“, verdeutlicht Dirk Vogel die Situation in diesem Bereich.
Um die Folgen der Corona-Epidemie für die Wirtschaft zu mildern, erwarten die Unternehmen von der Bundes- und Landespolitik ein Konjunkturpaket mit unkomplizierten und den jeweiligen Firmensituationen angepassten Regelungen zum Kurzarbeitergeld sowie zur Erstattung der Kosten bei behördlich angeordneten Schließungen von Betrieben, ebenso handhabbare Liquiditätshilfen. Darüber hinaus gibt es einen Appell an Medien und Politik, die Bevölkerung zwar umfassend mittels Fakten zu informieren, dabei aber jegliche Panikmache zu vermeiden.
Über das Corona-Thema hinaus wünschen sich die Unternehmen generell mehr Sachlichkeit in der Berichterstattung zur Automobilindustrie. Weniger e-Hysterie, d. h. Darstellung der Elektromobilität als das alleinige Allheilmittel, lautet hier eine Forderung.
Stichwort AMZ
Die 160 Mitglieder (Stand Februar 2020) repräsentieren einen Umsatz von insgesamt 3,07 Milliarden Euro und mehr als 20.000 Arbeitsplätze. Sie sind an 715 Standorten in Deutschland und 602 Standorten im Ausland aktiv. Neben Zulieferern gehören ebenso Maschinenbauer, Industriedienstleister sowie Institutionen aus der automobilen Forschung und Entwicklung zum Netzwerk. AMZ generiert durch Fach- und Brancheninformationen und der Zusammenarbeit in konkreten Projekten bei den Mitgliedern eine Steigerung der Innovationsfähigkeit und -geschwindigkeit, schafft Kundenzugänge und minimiert Marktrisiken. AMZ ist Kern der insgesamt 815 sächsischen Unternehmen, die Wertschöpfung für die Automobilindustrie erbringen.