Carbonfasern sind besonders leicht und robust. Im Verbund mit anderen Stoffen kann das Material seine Vorzüge ausspielen. So bieten carbonfaserverstärkte Kunststoffe eine extreme Festigkeit, wiegen aber ein Drittel weniger als Aluminium und nur halb so viel wie Stahl. Aufgrund dieser Eigenschaften wird ihr Einsatz für die Fahrzeugindustrie immer interessanter. Doch die Herstellung von Carbonfasern ist teuer, weil besonders energieintensiv. Die im Oktober 2016 neu gegründete CarboSax GmbH will das ändern. Das Gemeinschaftsunternehmen der P-D Glasseiden GmbH, der European Carbon Fiber GmbH und des Open Hybrid LabFactory e. V. errichtet ab 2017 in Chemnitz eine Pilotanlage für die nachhaltige Produktion von Carbonfasern und schafft somit ein neues Technologiefeld in Sachsen, mit dem eine Lücke in der Wertschöpfungskette für Carbon Composites geschlossen wird.
Carbonfasern werden seit etwa 40 Jahren hergestellt. Bisher sei hier viel Empirie im Spiel gewesen, so CarboSax-Geschäftsführer Dr. Armin Plath. Deshalb strebe man mit dem neuen Unternehmen eine wissensbasierte Weiterentwicklung von Material und Fertigungsprozessen an. Damit soll eine Senkung der Herstellkosten um 30 Prozent gegenüber heute verfügbaren kommerziellen Carbonfasern erreicht werden. Eine weitere Zielstellung ist die Optimierung des CO2-Footprints mit einer Emissionsreduzierung in der Carbonfaserlinie um mindestens 50 Prozent.
Weltweiten Benchmark setzen
Dazu plant CarboSax eine Energieversorgung direkt an der Anlage – mit der lokalen Speicherung überschüssiger Windenergie in ausgedienten Autobatterien. Mit Veränderungen in den Betriebsstrategien der Pilotlinie soll zudem der Energieverbrauch optimiert werden. „Wir sind uns sicher, dass wir mit diesem Konzept den weltweiten Benchmark in der Carbonfaserfertigung aus lokaler nachhaltiger Produktion mit erneuerbaren Energien setzen“, betont Dr. Plath.
Wesentlicher Bestandteil der Technologieentwicklung ist der Einsatz von in ihrer Umweltbilanz deutlich verbesserten Vormaterialien. Dazu soll eine zunehmende Substitution des bisher verwendeten erdölbasierten Ausgangsmaterials ACN (Acrylonitril) durch steigende Anteile nachwachsender Rohstoffe, z. B. Lignin, erfolgen. Weiterhin ist vorgesehen, industriell weltweit erstmals ein bisher verwendetes toxisches Lösemittel durch nicht-toxische Substanzen zu ersetzen.
Vertieftes Prozessverständnis, verbesserte Prozessführung
Eine automatisierte Prozesssteuerung und Überwachung ermöglichen eine schnellere Prozessführung und damit viel Potenzial zur Kostenreduzierung. Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt liegt in der Umsetzung neuester Erkenntnisse in der Materialforschung. Quantenmechanische Ansätze erlauben es, strukturelle Veränderungen im Material vorherzusagen, führen zu einem vertieften Prozessverständnis und damit zu einer verbesserten Prozessführung.
Bewusste Entscheidung für Chemnitz
Das neue Gemeinschaftsunternehmen hat sich bewusst für Chemnitz entschieden. „Das traditionell gewachsene Know-how in der Textiltechnik, die richtungsweisenden Kompetenzen im Leichtbau mit Faser-Kunststoffverbünden, die hervorragende Hochschullandschaft, die ansässige weiterverarbeitende Industrie und nicht zuletzt die qualifizierten Fachkräfte vor Ort waren ausschlaggebend dafür“, zählt der CarboSax-Geschäftsführer wesentliche Gründe auf.
Sächsischer Pilot Basis für Großanlagen in Deutschland
In drei bis vier Jahren sollen auf der Pilotlinie optimal Fasern produziert werden. „Wir planen ein sogenanntes Boutique-Manufacturing, das heißt die Herstellung kleiner Mengen mit verschiedenen Spezifikationen, und wollen Anlagentechnik und Technologie so flexibel gestalten, damit Änderungen im Prozess effizient umgesetzt werden können“, so Dr. Plath. Die Chemnitzer Pilotanlage bildet die Basis für spätere Großanlagen am Standort Deutschland.