Die Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Umbruch. Über Jahrzehnte ausgeübte Tätigkeiten verlieren ihre Daseinsberechtigung, neue bzw. erweiterte Fähigkeiten und Fertigkeiten werden verlangt. Das Tempo dieser Veränderungen ist vor allem in der Automobilindustrie spürbar und stellt insbesondere die Zulieferer als Hauptakteure dieser Wertschöpfungskette vor immense Herausforderungen. Neue Kompetenzen und neue Wege zu ihrer Entwicklung sind gefragt. Diesem Thema stellen sich die Partner im Projekt Auto_ID. Davon konnten sich die Teilnehmer der 1. Roadshow mit dem Titel „Hoch-Spannung! Personal digital weiterbilden“ Ende Januar 2020 in Chemnitz überzeugen.
Trendwende zur E-Mobilität: Hoher Qualifizierungsbedarf in kurzer Zeit
Vor allem die Trendwende zur Elektromobilität erfordert eine Kompetenzentwicklung bei den Automobilherstellern und Zulieferern in einer extrem kurzen Zeitspanne. Darauf verwies u. a. Prof. Dr. Werner Olle vom Chemnitz Automotive Institute CATI. Das Institut hat gemeinsam mit dem Zuliefernetzwerk AMZ in einer Studie nachgewiesen, dass 2025 etwa 1,5 bis 1,6 Millionen batterieelektrische Pkw in Deutschland produziert werden. In den sächsischen Automobilfabriken wird dann nahezu jedes zweite Fahrzeug als vollelektrisches Auto gefertigt. Die Umsetzung dieser Planungen haben bei den OEM begonnen, wie nicht zuletzt der Umbau des VW-Werkes in Zwickau zeigt. Sie sind angesichts der von der EU vorgegebenen CO2-Werte alternativlos und gehen mit Veränderungen einher, die nicht nur den Antrieb betreffen, sondern eine Vielzahl an Produkt- und Prozessinnovationen wie den Einsatz neuer Materialien und Leichtbaulösungen, die Digitalisierung im Produkt Auto mittels Vernetzung und Automatisierung sowie die Digitalisierung des Herstellprozesses unter dem Schlagwort Industrie 4.0. Daraus erwächst ein hoher Qualifizierungsbedarf, der mit veränderten Mitteln und Methoden realisiert werden muss.
Mittendrin in der Entwicklung und Anwendung solcher Werkzeuge ist das Volkswagen Bildungsinstitut (VW BI). Geschäftsführer Dr. Holger Naduschewski zeigte auf, wie digitale Bildung als Wegbereiter für E-Mobilität sowie weitere neue Technologiefelder funktioniert. Das Institut hat für den Umstieg von Volkswagen auf den Modularen Elektroantriebs-Baukasten (MEB) über 300 neue Themen identifiziert, für die zuallererst Ausbilder zu qualifizieren sind, die wiederum dann ihr Wissen zügig an Lehrlinge sowie Berufserfahrene vermitteln. Ohne eine Mischung konventioneller mit digitalen Lernformen komme man hier nicht mehr aus. Wie das funktionieren kann, zeigt ein Beispiel aus der Fachinformatiker-Ausbildung am VW BI. Jeder Lehrling konstruiert sich hier seinen „BI.Bot“, ein kleines autonom fahrendes Vehikel, für das er z. B. Teile selbst mittels 3D-Druck herstellt, und hat mit dieser Eigenentwicklung einen „Begleiter“, der ihm Wissen zu Elektrik/Elektronik, Sensorik, Automatisierung und weiteren Feldern anschaulich vermitteln kann. In anderen Bereichen wird mit virtuellen Tools beispielsweise das Schweißen oder das Montieren im Karosseriebau trainiert.
Auch demografische Veränderungen erfordern neue Weiterbildungswege
Nicht nur der Strukturwandel in der Automobilindustrie, sondern auch die demografischen Veränderungen wie ein genereller Rückgang der für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Menschen erfordert neue Weiterbildungskonzepte. Darauf ging Ralph Hoyer, Geschäftsführer der Schnellecke Logistics Sachsen GmbH (SLS), in seinem Vortrag ein. Der Logistikdienstleister für das Zwickauer Werk von VW Sachsen ist gefordert, in der Umbauphase der Fahrzeugfabrik bei weniger Auftragsvolumen und Ertrag zugleich höhere Investitionen, u. a. in die Qualifizierung seiner Mitarbeiter, zu tätigen, um sie für die neuen Aufgaben in der E-Auto-Fertigung fit zu machen. Zeit- und ortsunabhängiges Lernen, virtuelle Unterstützung mittels Videounterweisungen, digital realisierte mehrsprachige Kurse sind Wege, um schneller und flexibler weiterzubilden. SLS hat bereits 2017 gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern eine entsprechende Prozessvereinbarung dafür auf den Weg gebracht. Aktuell werden u. a. Mitarbeiter in der Montage, deren Tätigkeiten entfallen, für Aufgaben in der Logistik qualifiziert.
Digitalisiertes Lernen zum Anfassen
Neben dem Gehörten hatten die rund 60 Teilnehmer der 1. Auto_ID-Roadshow ausgiebig Gelegenheit, das erste Umsetzungsprojekt sowie weitere Praxisbeispiele selbst zu erproben. Dazu verwandelte sich der Veranstaltungsort Business Village Chemnitz, der mit seiner Einrichtung und Atmosphäre ebenfalls Arbeitswelten für Morgen abbildet, in eine große „Spiel-Arena“. Als erstes Projekt aus dem Auto_ID-Lab stellte Projektleiter Ronny Wagler einen Kurs zur Hochvolt-Sensibilisierung vor, den die Teilnehmer an zahlreichen Tablets getestet haben. Inhaltlich ist er eng an den bestehenden Kurs des VW Bildungsinstituts angelehnt, Teile dieser Präsensveranstaltung wurden jedoch in einen Online-Kurs umgewandelt. Auch verschiedene VR- und AR-Anwendungen, u. a. für das Erlernen von Montageaufgaben oder den Radwechsel an einem Lkw, wurden getestet.
Partner in dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt Auto_ID sind das Netzwerk AMZ, die Berufsakademie Sachsen, die CARNET GmbH, die TU Chemnitz, die TUCed An-Institut für Transfer und Weiterbildung GmbH sowie die VW Bildungsinstitut GmbH. Mit Auto_ID soll ein branchen- und regionalspezifisches Netzwerk – Digitales Lernen – geschaffen werden, das Automobilkompetenz, digitale Kompetenz und passgenaue didaktische Konzepte für unterschiedliche Zielgruppen miteinander verbindet. Ausgerichtet wird es vor allem auf die Bedarfe kleiner und mittelständischer Unternehmen.
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