Zum vierten Mal hatten die Teams des FTZ Forschungs- und Transferzentrums an der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ) und der Wirtschaftsförderung Zwickau zum Symposium Automotive & Mobility eingeladen. Dennoch war die Veranstaltung am 7. Oktober 2021 eine Premiere. Erstmals fand die unter dem Kürzel SAM bekannte Vernetzungsplattform für die Mobilitätsmacher von heute und morgen unter freiem Himmel auf dem Zwickauer Kornmarkt statt. Die nicht nur der Pandemie geschuldete mutige Entscheidung zum Outdoor-Format verdient das Prädikat „gelungen“.
Perspektivwechsel, Veränderungen, Entscheidungen – diese Themen prägten SAM 2021. Die laufenden Umbrüche in Automobilindustrie und Gesellschaft wurden sowohl bei den Aussteller- als auch bei den Vortragspräsentationen deutlich. Während man sich bei den ersten drei Veranstaltungen noch sehr auf das Auto fokussiert habe, steht beim 4. SAM die Mobilität mit deutlich mehr Breite im Mittelpunkt, betonte FTZ-Vorstandsvorsitzender Prof. Matthias Richter. Die Zwickauer Fahrzeugentwickler der FES, die das Symposium seit der ersten Auflage unterstützen, waren erneut mit einigen „Eyecatchern“ der batterie- und brennstoffzellen-elektrischen Mobilität vor Ort. Kompetenzen im Interieurbereich stellte der Spezialist für Fahrzeugpanzerungen und Kleinserien IndiKar Wilkau-Haßlau vor. Neu im Ausstellerkreis war FW Autarkstrom aus Zwickau, ein Anbieter für dezentrale Energiesysteme von der Photovoltaikanlage über den Solarstromspeicher bis zur E-Ladebox. Eine Antriebsalternative, die nicht auf Strom oder Wasserstoff basiert, demonstrierte NextH2O2 aus Zwickau. Sie zeigten, wie mit einer Wasserstoffperoxid-Turbine Energie für den Antrieb verschiedener Anwendungen erzeugt werden kann. Die Chemnitzer Allianz für das automatisierte Fahren CADA, der Innovationscluster HZWo, das WHZ-Racing-Team, das Fortis-Saxonia-Team der TU Chemnitz sowie der Hersteller elektrischer Fahrradantriebe Pendix aus Zwickau vervollkommneten die Ausstellungs-Runde um Bühne und Auditorium.
Pendix-Geschäftsführer Thomas Herzog zeigte auch in seinem Vortrag Perspektivwechsel und daraus folgende Entscheidungen auf. Der WHZ-Absolvent hatte mit Gleichgesinnten 2011 ein Unternehmen gegründet, dass sich auf automobile Entwicklungen konzentrierte. Weil Mobilität jedoch deutlich mehr umfasst und der Mensch beispielsweise „mit dem Fahrrad die Evolution schlägt“, so Herzog, verließ man 2015 den Automotive-Sektor. Stattdessen entwickelt und baut Pendix seitdem sehr erfolgreich elektrische Fahrradantriebe. Zu den Kunden gehören die Deutsche Post sowie die Post in Schweden und Dänemark. Ebenso nutzen große Unternehmen die Pendix-Antriebe für innerbetriebliche Fahrradparks.
Die Veränderungen in der Fahrzeugentwicklung thematisierte Dr. Karsten Michels, Leiter Forschung und Vorentwicklung bei Continental. Mit den Megatrends Digitalisierung, Vernetzung, Automatisierung und Elektrifizierung werden neue Fahrzeugarchitekturen notwendig. Statt zahlreicher Steuergeräte für einzelne Anwendungen haben sie intelligente Hochleistungsrechner zum Managen der Funktionsvielfalt und Datenströme an Bord. Continental hat ein solches System bereits in den VW ID.3 eingebracht.
Dass sich für Busse und Lkw ein Umrüsten auf Elektroantrieb lohnt, zeigte Michael Borries von pepper motion auf. Unter der Marke e-trofit bietet das Unternehmen die Elektrifizierung gebrauchter Nutzfahrzeuge an. Während man etwa 15 bis 20 Monate Lieferzeit für einen neuen E-Bus in Kauf nehmen müsse, erfolge die Umrüstung in ca. fünf Monaten und ist dabei noch um etwa 50 Prozent günstiger als die Neuanschaffung. Zudem werde die Laufzeit des Fahrzeugs deutlich verlängert. Das komme der Umwelt und wiederum auch dem Geldbeutel zugute, zählte Borries die Vorteile auf.
Warum Veränderungsbereitschaft wichtig und das Treffen von Entscheidungen notwendig ist, thematisierte Bibiana Steinhaus-Webb im Keynote-Vortrag zum Abschluss der Veranstaltung aus einem völlig anderen, nicht-automobilen Blickwinkel. Die erste Schiedsrichterin im deutschen Profifußball reflektierte ihre 25-jährige Schiedsrichterkarriere, die sie mit dem Abpfiff des Supercup-Spiels Bayern München gegen Borussia Dortmund am 30. September 2020 beendete. Sie verglich sie mit einer Eisscholle, die immer kleiner wurde, denn in Deutschland endet ein Schiedsrichterleben mit 47 Jahren. Man könne warten, bis die Scholle nahezu verschwindet. Besser sei es jedoch, selbst aktiv abzuspringen, Neues zu wagen. Sie hat diesen Schritt getan und arbeitet jetzt als Direktorin im englischen Fußballverband an der strukturellen Weiterentwicklung des Schiedsrichterwesens vor allem im Frauenfußball. Ihr Rat zum Thema Veränderung: „Nehmen Sie das Trikot ruhig eine Nummer größer – Sie wachsen schon rein.“